laut.de-Kritik
Vielseitigkeit - Segen oder Fluch?
Review von Dani FrommVielseitigkeit ist eine feine Sache. Über den Tellerrand gucken, das hat noch keinem geschadet. Verständlich dass, wer mannigfaltige Talente besitzt, auch alle Facetten seines Könnens zeigen will. Bloß blöd, wenn darüber der rote Faden völlig verloren geht.
"Come along and dream with me", so lautet die Aufforderung gleich zu Beginn. "Dreamin'" klärt die Fronten, kaum dass der Bass die märchenhaft perlenden Einstiegsklänge über den Haufen gepumpt hat. In einem Atemzug, ohne rechte Hook, ohne Pause, reißt Big Wax' Flow mit, immer eine Weile lang flankiert von diversen Instrumenten, die sich dann wieder zurückfallen lassen: eine clubtaugliche Nummer für jeden Kopfnicker.
Der weitere Verlauf von "Continue" stellt dessen Geduld dann aber auf eine harte Probe. Ehe mit "We Can't All Be Heroes" ein weiterer tauglicher Hip Hop-Track (und zugleich das geschichtenerzählerische Highlight des Albums) folgt, gilt es, reichlich Reggae-infizierten Gesang, verkaterte Nie-wieder-Alkohol-Schwüre im Singer/Songwriter-Style, einen funky Ausflug zurück, "like we did it in the old years", und einen wahrhaft schauderhaften Abstecher zu "Rosana" zu überstehen.
"What's my motherfuckin' name?", proletet besagte Rosana zum Schunkelbeat aus einer Mariachi-geschwängerten Ballermann-Kulisse, dass man glaubt, man habe sich auf eine karibisch lackierte Après-Ski-Party verirrt. Falls es so etwas überhaupt gibt. Rosana? Who the fuck is Rosana? Bezeichnend, dass ausgerechnet das der YouTube-Renner war.
Die Hookline des sich anschließenden "I Shoulda Try Harder" wirkt wieder, als habe ein Abzählreim, ein Kinderlied oder ein Poesiealben-Vers für dieses Trallala Pate gestanden. In den immerhin ordentlichen Rapparts dazwischen meditiert Wax über seinen mangelnden Ehrgeiz und fabuliert, was wohl möglich gewesen wäre, hätte man sich richtig reingehängt:
"I wish I was as ambitious as 50 Cent / I could have went the same route that him and Diddy went." Möglicherweise stimmt das sogar. Die berührende Auseinandersetzung mit dem Zerbrechen an Erwartungshaltungen, der eigenen oder der der anderen, die "We Can't All Be Heroes" zeigt, offenbart zumindest immenses Potenzial.
Schade, dass Wax die Stimmung selbst wieder ramponiert. "Stupefied" mit klassischem Boom-Bap-Bass-Sound und angemessen kitschigen Streicher-Einschüben, die die in Gedanken errichteten Luftschlösser illustrieren, geht noch: Wax beschreibt hier die sprachlose Dämlichkeit, der man im Angesicht eines interessanten Gegenübers gerne anheim fällt, ziemlich treffend.
"Toothbrush" nimmt ein durchaus ernstzunehmendes Beziehungsproblem, das Ringen um Freiräume, derart auf die Schippe, dass einem das Thema letzten Endes final am Arsch vorbei zieht. Ebenso fällt das Porno-Halligalli, das sich der betrogene Protagonist im punkrockigen "She Used To Be" zusammenspinnt, bestenfalls in die Klamauk-Ecke. Trinken wir einen? "Gin And Tap Water"? Nötig wärs.
"Straight To Paradise" möchte ein weiterer Rap-Track sein, "Outta My Mind" schnürt den kerzengeraden Beat entlang zurück in den Club, "Lewis And Clark" glänzt mit jazzigem Bass, "What's Your Vice?" entpuppt sich dann erneut als träger Sunshine-Reggae mit an-gerappten Strophen.
"Feels Good"? Super Rap-Nummer, wieder. Doch: Nein. Das fühlt sich leider nicht gut, sondern komplett planlos an. Jeder einzelne Track dürfte seine Fans finden. Jeder einzelne Track hätte es zumindest verdient. Eine Klientel, die "Continue" in seiner konfusen Unentschlossenheit feiert, dürfte allerdings schwer aufzutreiben sein.
Auch, wenn man alles kann, muss man sich manchmal einfach entscheiden. Doch es besteht ja noch Hoffnung: "Man, I'm satisfied never, my shit always could be better." Davon lass' ich mich gerne überzeugen.
1 Kommentar
Der Typ is ja um einiges erträglicher als ich gedacht hab