laut.de-Kritik

Ninjas, Schwänze und Spinat: Nix ist heilig, nix zu absurd.

Review von

Keiner soll behaupten, man habe ihn nicht gewarnt. "Ey, scheiß auf Würde und so", plärrt es schon von Coverartwork. Wer sich davon nicht schrecken lässt, bekommt im "Intro" einen ganz und gar nicht in die Irre leitenden Eindruck, wohin die Reise geht. Gefällt nicht? Dann empfiehlt sich, genau jetzt den Notausgang zu nehmen. Wer nach der ersten Nummer nicht lachend auf dem Boden liegt und inbrünstig aus vollem Hals "H! R! N! S! H! N! Laaaaaaa, laaaaaaa!" in den Äther röhrt, kann es eigentlich schon vergessen, der wird mit dieser Platte wohl eher nicht mehr warm.

Unreif und pubertär? Klar. Respektlos? Aber ja. Prollig? Auch das. "HRNSHN" bietet dem, der sich auf den Pipi-Kacka-Pillermann-Humor seiner Urheber einlassen kann, grandiose Unterhaltung. Um dem nicht mit Haut und Haaren zu verfallen, muss man eigentlich schon eine recht verkniffene Wurst sein.

Was soll das überhaupt heißen, "HRNSHN"? "Hören und sehen", wie ab und an ins Gespräch gestreut, ja wohl kaum: Das dürfte einem spätestens nach den ersten drei Minuten gründlich vergangen sein, wenn Mike, Shneezin und Keule ihr Publikum einmal grußlos über den Haufen gefräst und Ehren-257er Jewlz da Hoodwatcher dem Ganzen die sehr ... spezielle Garnitur verpasst hat.

"Wir können so oft Hurensohn sagen, wie wir wollen", erklärten die Buben erst kürzlich im Interview. Nun treten sie an, um diesen Beweis zu führen. "Wir sind ein Hurensohn." Zweifellos - und dieser Hurensohn kann rappen! "Wo andere normal laufen, le-parcour' ich so rum."

Mikes Ankündigung gilt für Keule und Shneezin gleich mit. Gemeinsam marodieren sie in Hochgeschwindigkeit einmal quer durch den Silbenwald, nur um auf der hinterlassenen verbrannten Erde zu den unwiderstehlichsten Mitgröl-Hooklines (mindestens seit K.I.Z.) debilen Ringelreihen zu tanzen. Herrlich.

Wo die Jungs entlang rattern, wächst kein Gras mehr. Das hat sich längst in duftenden Rauch aufgelöst. "Nackte Vaginas, Drogen und Schnaps." Suff, Party und Spaß dabei. "Sexualität? Sexualität! Let's Sexualität!" Trotzdem aber niemals aus dem Auge verlieren: "Rappen is' sowas von überkrass gangsta!" Man muss ja seine Glaubwürdigkeit bewahren. Worauf sollte man sonst den dampfenden Haufen platzieren?

"Yo, ich bin lustig!" Recht hat er, der Shneezin. Ninjas, Spinat, der eigene Selfmade-Deal: Kein Themenfeld zu absurd oder heilig, als dass es sie 257ers nicht gediegen umpflügen würden. Dazu gepflegte Selbstabfeierei ("Wir Sind Geil"), eine Knaststory der etwas anderen Art ("Pass Mal Die Seife") und der unmissverständliche Aufruf zum "Abgehn!". Dann sind die Jungs zusammen mit Alligatoah auch schon wieder "Über Alle Berge".

Zuvor hat allerdings noch Selfmade-Kollege Favorite vorbei geschaut, unter anderem, um "Seite An Seite" mit dem Hoodwatcher dessen herzzerreißende Liebesgeschichte zu erzählen. Den Diskurs mit dem besten Freund haben die Beteiligten da schon ausgefochten, unter nur schwachen Einsprüchen der Ratio: "Mein Verstand sagt: Scheiß drauf und hör' verdammt noch mal auf deinen Schwanz."

So wenig subtil, dafür mindestens so vergnüglich wie die Texte, gestaltet sich die musikalische Untermalung. Den Großteil steuern Johnny Illstrument und Krizz Dallas bei und destillieren dafür alles Brauchbare aus dem Eurodance-Sound der 90er heraus. Aufgekocht, konzentriert und potenziert erwachsen so aus einem Genre, das normalerweise hart an der Schmerzgrenze entlang schrammt, plakative, wuchtige Synthiebeat-Monströsitäten, die böse eingängige Refrains unauslöschlich im Gehör verankern.

Die Bässe dreschen durchgehend voll aufs Stammhirn. Für Abwechslung im prinzipiell doch recht einheitlichen Sound sorgen ein Hauch Offbeat-Rhythmus ("Scheißegal"), Sirtakiklänge ("Mein Schwanz Sagt"), Shukos Akustikgitarren-Schmachtfetzen "Seite An Seite" und Klamottenkisten-Klimperbeats in "Rappen Is Gangsta". Würde mich gar nicht wundern, sollte hierbei zudem tatsächlich ein Furzkissen zum Einsatz gekommen sein.

Am Ende bleiben rauchende Trümmer, "Leber gefickt, Lunge im Arsch, Zahn rausgebrochen, aber das sabbernde Grinsen strahlt noch lange nach. "Girl, wir wollen keine Namen nennen ..." Aber: "257 ist der Boss." AKK!

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Selfmade Deal
  3. 3. Spinat
  4. 4. Wir Sind Geil
  5. 5. Rappen Is Gangsta
  6. 6. Jewlz Skit #1
  7. 7. Bis Dahin Bin Ich Tot feat. Favorite
  8. 8. Go Ninja
  9. 9. Scheißegal
  10. 10. Mein Schwanz Sagt
  11. 11. Auseinanda
  12. 12. Jewlz Skit #2
  13. 13. Red Nicht Mit Mir
  14. 14. Seite An Seite feat. Favorite
  15. 15. Pass Mal Die Seife
  16. 16. Abgehn!
  17. 17. Über Alle Berge feat. Alligatoah
  18. 18. Outro

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