laut.de-Kritik

Eine Lektion in Leichtigkeit.

Review von

Vor ein paar Jahren hat Akiko Yano das vierzigste Jubiläum ihres Debüts gefeiert. In den Siebzigern war die Frau mit der glockenhellen Stimme augenblicklich ein Star, arbeitete mit den Größen der City Pop-Bewegung, machte Platten in Los Angeles und ein paar Klassiker des Genres. Inzwischen ist sie ein Legacy Act, der mit einem Jazztrio kleine Konzerte spielt, ihre süß designte Website wird kaum noch aktualisiert und ihr neues Album "Music Is A Gift" hat im Grunde kaum noch nennenswerte Öffentlichkeit. Ist es ihr bestes Album? Sicherlich nicht. Aber es ist ein Spätwerk, das von oben bis unten voller zwangloser Wärme und Liebe zur Musik steckt. Es ist ein Eingangspunkt in einen unglaublichen Katalog japanischer Retro-Musik, der jede Sekunde wert ist.

Es sollte ja auch nicht weiter überraschen, dass eine Frau mit Stimme irgendwo zwischen Kate Bush und Joanna Newsom, die mit der Band Japan und dem Yellow Magic Orchestra Musik machte und schon für Studio Ghibli-Soundtracks sang ein Ding für Atmosphäre hat. "Music Is A Gift" gibt genau das: Es ist sanfte, aber komplexe Tagträumer-Musik, auf der Yano Arrangements und unterkühlte Soli ihrer Jazz-Expertise mit der kopflosen und sehnsuchtsvollen Klangtiefe des City Pop-Sounds vermischt.

Was herauskommt sind Songs, die kosmisch und irdisch gleichermaßen klingen. Die ersten Töne auf dem Intro "Stars Afar, Light Journey" sind schwerelose, subtil überirdische Ambient-Synthesizer, unter die sich dieses federleichte Klavier mischt, das schon so lange ihre Musik charakterisiert. In den 90ern hat sie ein Album namens "Piano Nightly" veröffentlicht, das vielleicht bis heute ihre besten Performances auf reinem Klavier darbieten. Songs wie "Tsugaru Kaikyou Fuyugeshiki" nehmen diese Klavier-Leichtigkeit auf, spielen ihre eigenen Vibes parallel zu Yano, besonders hier folgt in der Mitte des Songs ein so eigenwilliges und spielerisch beeindruckendes Solo, dass man sich wie im luftigsten Jazzclub der Welt fühlt.

Yano ist aber auch einfach eine Meisterin der Leichtigkeit, unter derer Arrangement jegliche Instrumentalisten aufblühen können, ohne dass man je auch nur verdächtigen würde, dass jemand sich in den Vordergrund drängen würde: "Little Bird, Little Love" und "My Bus" geben technisch großartigen E-Gitarren die Klinke in die Hand, die Folk-Anleihen auf "Nothing In Tow" gehen gekonnt auf. Alle Musik kommt mit einer routinierten Beiläufigkeit, das Spielen und Singen scheint ohne jede Anstrengung von der Hand zu gehen.

Stattdessen baut sie mit ihren Musikern mühelos Szenerien zusammen, die alltäglich fantastisch ausfallen. "Coming Into The World" gibt diese Plattenkisten-Wühl-Fantasie, wie es die besten Light In The Attic-Releases tun. "Our Live With Fish Sausages" macht quasi-surrealen Slice Of Live-Pop, der aus einer allgemeinen Instrument-Zusammensetzung so viel Farbe und Lebendigkeit ableitet. "Nani Sore" fühlt sich wie ein Marsch durchs Zelda-Universum an und auf "My Beloved Landlord" hört man den Zynismus durch jede Sprachbarriere.

"Music Is A Gift" ist genau das, was der Titel verspricht. Es ist eine Ehrerbietung an ein Lebenswerk, das schon in den besten Zeiten avantgardistische B-Seiten auf Releases gepflanzt hat, die das Label gerne besonders präsentierbar gehabt hätte. Yano ist eine Meisterin ihres Handwerks, eine der einzigartigsten Stimmen – nicht nur der japanischen Musikindustrie – und auch wenn sie in ihrem Alter nicht mehr die komplette Magie wie auf "Japanese Girl", "Love Life", "Tadaima" oder "Piano Nightly" entfalten kann, ist es doch ein unglaublich schönes, warmes und nostalgisches Album. Es fühlt sich an wie eine vergilbte Erinnerung an Klavierunterricht an einem Sommertag. Sich davon in Yanos fantastischen Katalog einladen zu lassen, kann keine schlechte Entscheidung sein.

Trackliste

  1. 1. Stars Afar, Light Journey
  2. 2. Coming Into The World
  3. 3. My Bus (Version 2)
  4. 4. Our Life With Fish Sausages
  5. 5. Little Bird, Little Love
  6. 6. Tsugaru Kaikyou Fuyugeshiki
  7. 7. My Beloved Landlord
  8. 8. Nani Sore
  9. 9. Music Is A Gift
  10. 10. Nothing In Tow

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