laut.de-Kritik

In der Willie-Nelson-Falle.

Review von

27 Grammys sind ein Argument, bei dem selbst einem Großmaul wie Kanye West nicht mehr viel einfallen dürfte. Gut, die meisten davon hat Alison Krauss in eher spezialisierten Sparten gewonnen, aber spätestens seit ihren Beiträgen zum Soundtrack von "O Brother, Where Art Thou" (2000) und der wunderbaren Kollabo mit Robert Plant ("Raising Sand", 2007) ist sie auch einem Publikum außerhalb der USA und jenseits von Country und Bluegrass bekannt.

Mit "Windy City" hat sie nun ihr erstes Soloalbum seit 17 Jahren am Start. Eine Aussage, die etwas in die Irre führt, hat sie doch mit ihrer Band Union Station 2011 "Paper Airplane" herausgebracht. Dazwischen waren sie gemeinsam mit Willie Nelson auf US-Tour.

Dabei scheint sich Krauss beim Altmeister einen Rat geholt zu haben: Um ein neues Album aufzunehmen, brauche ich lediglich einen wohl gesonnenen Produzenten (in diesem Fall Buddy Cannon), ordentliche Studiomusiker (versetzt mit Mitgliedern der eigenen Band) und ein paar längst veröffentlichte Lieder (darunter auch Nelsons "Never Cared For You"). Dann gehe ich ins Studio, singe meine Spuren ein, mache mich fürs Cover schick und dampfe wieder ab. Den Rest erledigt die Marketing-Abteilung.

Genauso hört sich das Album leider an. Auch wenn Krauss wie gewohnt viel Wärme in ihre Stimme legt: Für mehr als ein stereotypisches, kommerzielles Country-Album reicht es nicht. Der Schlagzeuger streichelt seicht die Felle, Gitarren twangen und jaulen, das Klavier klimpert vor sich hin, Streicher verbreiten ausgiebig Schmalz.

Nur einmal klingt Krauss richtig gut, nämlich im rock'n'rolligen "It's Goodbye And So Long" der Osborne Brothers, mit Fiddle, Bläsereinsatz und Hank Williams, Jr. als Backgroundsänger. Auch "Poison Love", aus dem Repertoire von Bluegrass-Meister Bill Monroe, schneidet über dem Durchschnitt ab. Das abschließende "You Don't Know Me" war schon im Original eine Schnulze und Krauss' sehnsüchtige Stimme passt gut dazu, wie auch die ausnahmsweise zurückhaltende Begleitung, doch kommt sie an die Version von Ray Charles nicht ran.

Ansonsten: Schwer zu ertragen. Wie viel besser das Album hatte sein können, zeigt sich an "Gentle On My Mind", das Billy Bragg und Joe Henry ein Jahr vor ihr coverten. So einfach gestrickt und tiefgründig deren Version klingt, so überladen wirkt Krauss'.

Studiomusiker, 10 altbekannte Bluegrass- und Countrystücke, 34 Minuten, kein einziger eigener Track, so das ernüchternde Fazit von Krauss' fünften Album unter eigenem Namen. Diesmal kaum grammy-würdig.

Trackliste

  1. 1. Losing You
  2. 2. It's Goodbye And So Long To You
  3. 3. Windy City
  4. 4. I Never Cared For You
  5. 5. River In The Rain
  6. 6. Dream Of Me
  7. 7. Gentle On My Mind
  8. 8. All Alone Am I
  9. 9. Poison Love
  10. 10. You Don't Know Me

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