laut.de-Kritik
Köln hat ab sofort seine eigene Schule.
Review von Jasmin LützEndlich kommt das punkige Rotztrio aus Köln in die Oberstufe. Das mir hier vorliegende Album lässt mich schnell die Narren und Fahrradfahrer dieser Welt vergessen. Der Glaube an lokale Bands wächst. Köln hat ab sofort seine eigene Schule. This Boy Is Angelika Express. Mein erstes Treffen mit dieser wuchtigen Band hatte ich in der Live Music Hall. Hier durften sie gut gelaunt und glücklich die Fehlfarben supporten. Meine Fresse, waren die gut. Dagegen sahen die älteren Herren um Peter Hein später ziemlich blass aus. Puren Rock'n'Roll in smarten 60er Jahre-Punk-Anzügen à la The Hives präsentierten die drei Angelikas auf der Bühne. Da war ich schon fast ein wenig enttäuscht, als ich zu Hause die Platte auflegte. Fehlte hier doch die gewisse Hektik und positive Aufdringlichkeit, die man live sehr viel besser zu spüren bekam.
Dennoch: Robert, Alex und Jens sprechen mir geradezu aus der Seele. Mit Titeln wie "Selbsthypnose" oder der von mir für mich persönlich ernannten Hymne und aktueller Singleauskopplung "Geh doch nach Berlin". Alle wollen in die tolle Hauptstadt ziehen. Rotzfrech kann man da nur noch singen: "Auf Wiedersehen". Während Alex fast seine Drums zerdeppert, singt Robert zynisch, aber so was von wahr über die aktuelle Auswanderungsflut in die Dreimillionenstadt. Gleich im Anschluss zieht dir Jens die Klamotten vom Leib. Der Bassist hat sich mächtig verliebt und brüllt sich die Kehle blutig.
In die wunderbare Welt der Popmusik tauchen wir mit "Teenage Fanclub Girl" ein. Da darf dann auch mal gerne von Hamburg die Rede sein. Die Tatsache, dass britische Gitarrenmusik in die Plattenschränke von Angelika Express gehört, ist hier kaum zu übersehen. An dieser Stelle auch mal ein extra Lob an den Textschreiber Robert Drakogiannakis. Der Gitarrist und Sänger ist für die meisten der kleinen Geschichten auf dem Album verantwortlich. Auf den ersten Blick wirken die Texte sehr einfach, aber spätestens beim zweiten Mal treffen sie direkt in den Kopf. Derartig wuchtige Erlebnisse können auf heimatlichem Boden nur noch Superpunk bieten.
"Schnippschnapp" geht's dann auf eine kurze Reise durch den Oi-Punk. Angelika Express leisten damit einen musikalisch überzeugenden Beitrag zur Filmgeschichte (Der Titel ist auf dem Soundtrack von "Führer Ex" vertreten). Mit "Verkaterter Dienstag" rebellieren die drei Jungs bis zurück zum Beton. Als Gastsänger begrüßen sie hier Peter Hein und prügeln gemeinsam das System. Unglaublich ansprechend ist auch "Viertel nach vier". Sinnloses Betrinken jedes Wochenende, immer dasselbe, "alleine mit dir". Wohl doch mal Zeit für eine Alkoholpause? Gitarrenpop vom Feinsten gibt es bei "Francois Truffaut". Eine traurig weiche Kleinstadtanekdote mit großem Wiedererkennungseffekt.
Für mich ist jetzt vollkommen klar, welche Band den "Coole Sau Metallic 2003"-Award in der Kategorie "Beste deutsche Liveband" und "Bestes deutsches Album" in diesem Jahr erhält. Sprüht es an jede Häuserwand und lebt die Boheme. Ich kann nur hoffen, dass das Kölner Trio ihr selbstbewusstes Auftreten und ihren dezenten kölschen Akzent beibehält. Bitte verlauft euch nicht in die elektronische Maschinerie und wenn doch, dann "Geht doch nach Berlin"!
Noch keine Kommentare