laut.de-Kritik
Driftet zwischen gut, gut gemacht und gut gemeint.
Review von Sven Kabelitz"Which Side Are You On?" Ach, Ani. Würdest Du es mir nur so einfach machen und mir eine Seite zum Wählen geben. Ein gutes Album, ein schlechtes Album, Schwarz oder Weiß. Es wäre so viel einfacher. Leider muss ich mich für die Mitte entscheiden - und aus der Mitte entspringt ein Fluss, dessen Name "Halbgar" lautet.
Vom ersten Moment an war ich fest entschlossen, das Album zu mögen. Doch nach näherer Betrachtung muss ich leider zugeben, dass dies einem Selbstbetrug gleich käme. Zu sehr driften die Songs zwischen gut, gut gemacht und gut gemeint.
Dabei fängt alles so schön an. "Life Boat" weckt Erinnerungen an einen Spaziergang durch schneebedeckte Felder bei Sonnenschein. "Mariachi" greift dieses Gefühl später wieder auf. "I'll be the right hand / you'll be the left hand / you and me we make a Mariachi Band."
Im klaren Gegensatz dazu bringt die Interpretation von "Which Side Are You On?" mit ihrem neu verfassten Text jedes Klischee unter, das über die Occupy-Bewegung gesagt werden kann. Obwohl lange zuvor - im Jahr 2009 - geschrieben, klingt das Stück wie eine Revolutionshymne, hinter deren Beat und Fahne es sich prächtig marschieren lässt. Alles, was Relevanz haben könnte und bei drei nicht auf den vom Waldsterben bedrohten Bäumen ist, wird ebenfalls verbraten. Feminismus, Bürgerrechte und Gesundheitsversorgung - etwas weniger hätte dem Text sicher gut getan.
Trotz dieser Kritikpunkte fällt der Song, der auf einer 80 Jahre alten Nummer von Florence Reece basiert und dessen bekanntester Interpret Pete Seeger war, ungemein catchy aus und stellt eines der wenigen Highlights des neuen Albums dar. Seeger lässt es sich in seinem zartem Alter von 91 Jahren nicht nehmen, zu Beginn der neuen Aufnahme kräftig in die Banjo-Seiten zu schlagen.
Dass man mit viel weniger Worten viel mehr sagen kann, beweist Ani DiFranco in "If Yr Not" selbst. Rumpelnd setzt sich der Track mit dem Älterwerden auseinander und stellt sich ihm ohne Angst und Negativität mit einem breitem Grinsen entgegen. "If yr not getting happier as you get older, then yr fucking up."
Überhaupt stehen dem erhobenen Finger, dem lautem "Hallo" der politischen Texte, immer wieder glückliche persönliche Momente gegenüber. Zum netten kleinen Sonnenscheinlied "Splinter" ließe sich prächtig Hula tanzen, bissen die Worte nicht so schmerzhaft von der Seite in die Wade. "Who put all this stuff in my apartment? / Who put all this ice in my drink? / Who put the poison in the atmosphere? / Who put the poison in the way i think?" Mit dem herrlich vertrackten "Unworry" sowie "Promiscuity" springt DiFranco snoopygleich in einen Laubhaufen aus alternativem Rock der Neunziger Jahre. "Isn't it ironic? Don't you think?"
Doch all diesen durchaus gelungen Stücken, die niemals wirklich eine Ani DiFranco in Hochform zeigen, stehen Schlaftabletten wie "J", "Amendment" oder "Hearse" gegenüber. Wenn sich "Which Side Are You On?" nach "Zoo" seinem Ende nähert, bleibt die größte übermittelte Emotion die Langeweile.
4 Kommentare
"If yr not getting happier as you get older, then yr fucking up."
Scheiße, das heißt, ich bin endgültig verloren.
what a U meaning?
what a U meaning?
Once does suffice, my dear boy. Just push the reload button next time... and your posting will appear as if it had always been there.