laut.de-Kritik

Ein One-Trick-Pony mit einem wirklich guten Trick.

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In seiner kurzen Geschichte hat Apache 207 bereits so vieles richtig gemacht, dass man ihm die Monsterwelle, die er gerade reitet, erst einmal von Herzen gönnt. Der Typ kann singen, und er kann rappen. Er liefert einen Instant-Ohrwum nach dem anderen. Er mottet Disco- und Synthiepop-Vibes aus, als handle es sich dabei um den jeweils brandheißesten Scheiß der Stunde. Mit dem Effekt, dass er genau das daraus macht: brandheißen Scheiß.

Auf die gerade angesagte Soundästhetik setzt Apache einen ähnlich großen dampfenden Haufen wie auf herrschende Modediktate. Insbesondere, wenn die sich um Fußbekleidung drehen. Socken in Sandalen? Slipper mit Bömmelchen? Goldene Rollerskates? "Kein Problem", muss man halt tragen können. Apache macht es einfach.

Meint der das ernst? Ist das Ironie? Oder am Ende einer dieser komischen Fälle, bei denen man sich in die eigene Tasche lügt, man finde "etwas so schlecht, dass es schon wieder gut ist", weil die nötigen Eier fehlen, um etwas zu feiern, das gerade nicht der gängigen Feierbarkeits-Norm entspricht? Im Grunde ist all das längst völlig egal. Das Interesse ist geweckt, der Hype ist real, die Fanbase Legion, und die wird Apaches "Platte" auf jeden Fall durch die Decke katapultieren. Völlig unabhängig davon, ob sie den himmelhohen Erwartungen gerecht wird oder nicht.

Apache schafft verblüffenderweise beides: Seine EP bedient jede in sie gesetzte Hoffnung, um dabei auf ganzer Linie restlos zu enttäuschen. Klingt paradox, und fühlt sich auch genau so an: Ich bin geflasht und genervt, entzückt und end-gelangweilt zugleich. Das einzige Gefühl, dessen ich mir am Ende von "Platte" noch ganz sicher bin: Gut, dass das bloß eine EP war. Jeder Track, der über die gebotenen acht hinaus gegangen wäre, hätte das Pendel vermutlich weiter in die Negativ-Richtung schwingen lassen.

Solide auf der Haben-Seite stehen die wirklich unglaublich gelungenen Produktionen. Abaz, Lucry und Suena, Stickle, die Jugglerz, Thomas Porzig, zweimal Miksu und Macloud und noch einmal Lucry alleine verantworten die Beats. Angesichts derer beschleicht einen der Verdacht, da habe jemand Überhits vom Kaliber "Being Boiled" entkernt, in das Gerüst bis zum Bersten Fett reingepumpt, Melodien drumherum gewickelt, die sich an Eingängigkeit schwer überbieten lassen, das Ganze mit Glitter paniert, in den Club auf die Tanzfläche geschmissen und dort hochgesprengt. Es tönt einfach unglaublich satt und mächtig - und es funktioniert. Allerdings tönt auch ein Track wie der andere. Abwechslung in Strickmuster oder Dynamik oder Atmosphäre: is' nicht.

Dazu singt und/oder rappt ein Kerl, der beides, wie gesagt, dermaßen smooth und aus dem Handgelenk heraus beherrscht, dass einem zunächst gar nicht aufgeht, wie wenig er tatsächlich zu sagen hat. "Wo führt das Ganze hin? Mein Gott, wo führt es hin?" Spoiler: nicht besonders weit. Apache inszeniert, ohne sich dabei um irgendeinen Funken Originalität zu bemühen, die klassische From-rags-to-riches-Geschichte: Der arme Junge ist zu Ruhm und Geld gekommen, alle anderen kopieren jetzt seinen Style, sind neidisch, "machen Auge" und kriegen dafür "Beef".

"Taschen platzen, aber Apache bleibt gleich", behauptet er. Bloß dass er jetzt mit der S-Klasse statt mit dem "Roller" mit "200 km/h" "im Vollsuff durch die Innenstadt" fährt. Klar gehört Verkehrserziehung nicht unbedingt zum Jobprofil von Rap- oder Popstars. Da Apaches Zielgruppe ihm aber sogar die hochgezogenen Tennissocken in den Gucci-Sandalen nachmacht, steht trotzdem zu befürchten, dass Besoffen-Rasen bald wieder im Trend liegt. Ich wünsche allen (insbesondere den unbeteiligten) Verkehrsteilnehmer*innen viel Glück und wachsame Schutzengel.

Trotzdem ist jede Zeile, die Apache 207 mit Autos oder seinem "Roller", mit Weed, "Grey Goose", Geld, Schuhen oder missgünstigen Zeitgenossen füllt, eine gute Zeile. So lange er damit beschäftigt ist, kann er schon nicht über Frauen reden. Die nämlich kommen bei ihm (wie noch immer so oft) in genau zwei Ausführungen vor: Neben der einen, der unantastbaren, ikonengleichen "Mama", einer Heiligen, der man "Brot nach Hause" bringt und ihr irgendwann ein Haus kauft, oder halt eine S-Klasse, exisitieren ausschließlich Bitches.

Davon gibt es - es lebe die schlichte binäre Weltsicht! - auch wieder zwei Sorten: Entweder sind die Weiber willig, und das sind irgendwie ja wohl alle, so lange der Kerl nur zahlungskräftig genug ist. Wieso sollte der sich dann einen auch nur rudimentär gewitzeren Amnachspruch ausdenken als "Ich will, dass du mit mir nach Hause kommst, denn ich bin reich" ("Sex Mit Dir")? Oder die Weiber sind nicht willig oder, schlimmer noch, besitzen die Unverschämtheit und wollen einen anderen: Dann schreibt Apache ihnen sicher irgendwann einen Track wie "Kleine Hure".

Einstweilen reicht es aber noch zu einem (immerhin einvernehmlichen) "Sie hat Bock, ich hab' Bock, wir machen Liebe auf dem Beifahrersitz". Wobei man, um einen Fick im Auto irgendwo in der Nähe von "Liebe" oder "Romantik" zu wähnen, schon eine sehr dicke Teenienostalgiebrille aufsetzen muss. Oder man hat es halt einfach noch nie gemacht.

Rammeln, weils Spaß macht, ist eine Sache, und ganz sicher keine schlechte, so lange sich alle Mitwirkenden einig sind. Schwierig, weil schmierig wird es, wenn der, der offensichtlich nur auf das Körperliche aus ist, von Liebe und gebrochenen Herzen schwadroniert und sich plötzlich zum Fürsprecher des armen, ihm restlos verfallenen Weibchens aufbläht. "Wieso Tust Du Dir Das An?", fragt es da scheinheilig. "Du sagst, du hältst es aus, aber wie lang noch? Da draußen wartet safe ein echter Mann, doch noch nie im Leben warst du so gefangen." Obendrein noch die Mär von den "echten Männern" aufgewärmt, Sie wissen schon, die mit den starken Schultern zum Anlehnen, die noch das Mammut mit der Hand fangen können ... "Gott, es ist krank."

Um die textliche Tiefe von "Platte" auszuloten, genügt jedenfalls, das "E" aus dem Titel zu streichen. Lyrisch ist das alles so langweilig und ausgelutscht, dass "zweidimensional" als Beschreibung dafür noch ein Kompliment wäre. Man merkt es allerdings nicht sofort: Apaches unorthodoxer Look, sein unzweifelhaft unerhörtes Gesangstalent, sein ganzes Auftreten und natürlich die fulminante, diverse Erwartungshaltungen zugleich durchkreuzende musikalische Ausgestaltung täuschen tatsächlich eine ganze Weile lang darüber hinweg, dass wir hier gerade dem Paradebeispiel eines One-Trick-Ponys zuschauen. Das eine Kunststück, das es draufhat, ist halt wirklich gut.

Trackliste

  1. 1. Sex Mit Dir
  2. 2. Roller
  3. 3. Beef
  4. 4. 200 km/h
  5. 5. Keine Fragen
  6. 6. Wieso Tust Du Dir Das An?
  7. 7. Doch In Der Nacht
  8. 8. Grey Goose

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