laut.de-Kritik
Harmoniesüchtige Melodiebögen, molllastige Abgründe und dezente Wahwah-Gitarren
Review von Michael SchuhGleich auf den ersten Blick assoziiere ich mit dem schlichten und ästhetisch präzise gestalteten Coverartwork eine lupenreine Elektroscheibe. Auch der erste Song, ein zum Träumen verleitendes, sich ständig wiederholendes Keyboardelement, wähnt meine Instinkte auf der sicheren Seite. Erst ab "Food Music" kommt das Rock-Lineup zum Zuge, ohne aber die elektronische Klangerzeugung zu verdrängen.
"Appliance" nennen sich die drei Engländer, deren Songexperimente bis an die niemals tauben Ohren des Mute-Labelchefs Daniel Miller vordrangen und die mit "Manual", nach einzelnen Gehversuchen in EP-Form, nun ihr Debut vorlegen. Herausgekommen sind dabei zehn unaufdringliche, atmosphärische Songs, deren düstere Grundstimmung nicht selten an frühe New Order-Kompositionen erinnert. Dieser Eindruck wird verstärkt, sobald James Brooks sein tiefes Organ anschickt, ausgewählte Passagen mit einer zusätzlichen Melodielinie zu veredeln.
Was diese Platte auszeichnet, ist der repetitive Faden, der sich durch alle Songs windet und die diesen Eindruck erzeugende Experimentierfreudigkeit: in bester Sonic Youth-Manier stolpern harmoniesüchtige Melodiebögen in molllastige Abgründe. Statt brachialer Noise-Attacken entscheiden sich Appliance für dezente Wahwah-Gitarren.
Es ist diese verspielte Lässigkeit, die beeindruckt, insbesondere in der genehmen Verbindung mit meist analogen Synthiesounds und sonstigen, undefinierbaren Geräuschelementen. Und obwohl die Songs erst im kompakten Albumrahmen ihren Charme ausstrahlen, entschied sich die Plattenfirma für eine Single-Auskopplung. Das eingängige "Pacifica" soll den Verkauf von "Manual" ankurbeln. Bleibt zu hoffen, dass dadurch noch jede Menge Ohren auf dieses gelungene Debut aufmerksam werden.
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