laut.de-Kritik
Hervorragendes Anti-Trump-Album von der Partisanin der Liebe.
Review von Ulf Kubanke"Rise up!" erschallt der mächtige Gospel-Ruf, bevor La Streisand "Better Angels" stimmgewaltig auf den Gipfel führt. Die Parole ist kein Zufall. Ihr neues Album "Walls" geht von A bis Z als Weckruf gegen rechtsnationale Bewegungen, Rassismus und besonders Donald Trump in Stellung. Elf Songs, randgefüllt mit humanistischer Leidenschaft, verkörpern ein beeindruckendes Spätwerk.
Barbra Streisands Studioalbum Nr. 36 enthält eine Handvoll eigener Lieder sowie perfekt in Szene gesetzte Cover. Methodisch ist das Urgestein der goldenen Showbiz-Ära mit allen Wassern gewaschen. Sie, die bereits LPs veröffentlichte, bevor Beatles, Rolling Stones oder The Who auf der Bildfläche erschienen, ist viel zu elegant für die oftmals plakative Banalität konfrontativer Protestsongs. Entsprechend nennt sie den aktuell mächtigsten Mann der Welt nicht beim Namen.
Missverständnisse kommen dennoch nicht auf. Aus dem Zusammenhang und durch die Verwendung von Schlüsselbegriffen wie "Towers" klärt sich zweifelsfrei, wer hier gemeint ist. Überwiegend verzichtet Streisand jedoch auf direkte Ansprachen. Stattdessen setzt sie auf das rhetorisch effektive Mittel, das Publikum direkt anzusprechen. Wenn sie etwa im Titelsong doppelbödig Isolationismus und Spaltung geißelt, funktioniert dies sowohl konkret am Beispiel der US-Grenze zu Mexiko, wie auch als globale Philosophie im übertragenen Sinne.
Natürlich stellt sich die Frage, ob eine fast 80-jährige Künstlerin überhaupt jemanden erreicht. Doch Tante Barbra ist an dieser Stelle über jeden Zweifel erhaben. Als Repräsentantin des linksliberalen New Hollywood verfügt sie über ähnlich hohe Glaubwürdigkeit wie Kumpel Robert De Niro oder Meryl Streep, die ebenfalls kein Blatt vor den Mund nehmen. Als selbstbewusste Frau gab sie stets den Rockstar und hatte Affären mit deutlich jüngeren Männern oder drehte emanzipatorische Filme wie "Yentl".
Als Aushängeschild des jüdischen Amerika gilt ihre 1970 für Golda Meir gesungene Version der "Hatikvah" vielen bis heute als ultimative Fassung. Und als unkonventionelle "Rozz Focker" gewann sie vor einigen Jahren in "Meet The Fockers" eine deutlich jüngere Fanschicht hinzu. Damit verfügt sie über genug Credibility, um bei den verschiedensten Gruppen zu predigen, man solle sich nicht von der Alt.Right kaufen lassen.
Die Musik steht ihrer in den Ring geworfenen Haltung in nichts nach. Für die Arrangements holt sie sich Grammy-Preisträger Walter Afanasieff, John Shanks und David Foster, die nach ihren Vorgaben eine wundervoll nostalgische Atmosphäre samt großem Orchester erschaffen. Die ganz alte Hollywoodschule steht Pate und offeriert dem Hörer eine schmackhafte Bandbreite von zart bis opulent. Auch bereits hundertfach interpretierte Gassenhauer a la John Lennons "Imagine" erstrahlen hier in ungewohntem Klangbild und erhalten durch ihren aktuellen Bezug eine passende Deutung.
Und dann ist da immer wieder diese ehrfurchtgebietende Stimme. Streisands ebenso kraft- wie gefühlvoller Gesang trifft ohne Umwege direkt ins Herz. "Walls" und "Better Angels" verzaubern als Balladen mit ihrer sehr individuellen Mischung aus zurückgenommener Sensibilität und anmutiger Unnachgiebigkeit. Die für ihre Verhältnisse nahezu poppig ausgefallenen Stücke "Don't Lie To Me" oder "The Rain Will Fall" setzen dagegen auf Ohrwurmrefrains und eine zupackende, angemessen energische Grundstimmung. Nach dem Verklingen des letzten Tons bleibt man gerührt im Wissen zurück, hier einer echte Partisanin der Liebe gelauscht zu haben.
3 Kommentare mit 7 Antworten
Wo kommt die denn her?
Robert Smith hat die doch schon vor Jahren erledigt!?
Hüfte wieder in Ordnung? Finde es gut das die Streisand sich kein Bein aussreißen muss, um dem Trumpetenboy eins auf Maul zu hauen, ungefakt! In ihre Fussstapfen trittt dann wohl die Gaga, in 30 Jahren beim nächsten irren Präsi oder so.
Streisand und die Möchtegern „Künstlerin“ in einem Kommentar... geht gar nicht...
Stimmt! Das Wörtchen „überschätzt“ fehlt noch
Ach kommt schon, ist es für alte Säcke oder Säckinnen nicht völlig normal, das man aktuelle Künstler(-inen), geringer (ein-)schätzt, von ihrer "Kunst"?
Bei dem einem Künstler kennt man schon alles, ist also eher Nostalgisch drauf, bei dem anderen hat man einen vergleichsweise dünnen Katalog vor den Augen/in den Ohren. Unsicher, was kommt da noch?
Beziehe mich bei den beiden vor allem auf den Film "A Star Is Born", wo die Gaga zwar immer das gleiche gackert aktuell (in Interviews), aber für den Film große Schauspielkunst und ihre tolle Stimme, in die Waagschale warf.
anstatt in die waagschale, sollte sich die gaga lieber vorn bus werfen. damit wäre allen gut gedient
Na Meuri, wurden die Medis wieder neu eingestellt?
Freddy Mercury and Lady Gagga würden sich prächtig verstehen. Ergo is Lady Gaga künstlerisch über jeden Zweifel erhaben.
Gagga's Part für Präsi-Schelte könnte auch Pink übernehmen
Hat sie schon das zweite Dreieck gefunden?