laut.de-Kritik
Das Solodebüt von Cocorosies jüngerer Hälfte.
Review von Giuliano BenassiIm Hause Casady herrscht reger Betrieb: Nachdem die Schwestern unter ihrem Künstlernamen Cocorosie im Oktober 2015 das Album "Heartache City" veröffentlichten, folgt im Februar 2016 das Solodebüt der Jüngeren der beiden.
"Heartache City" kehrte musikalisch ja eher wieder zu den Freak Folk-Wurzeln zurück, weg vom elektronisch rhythmischen Klang von Cocorosies letzten Alben. Einen Weg, den Bianca nun fortsetzt.
Fast schon bluesig kommt der Opener "Hay Lofts" daher. Mit etwas Phantasie könnte die scheppe, morbide musikalische Begleitung auch zu Tom Waits passen. Seine brummende Reibeisenstimme würde übrigens einen hörenswerten Kontrast zu Casady bilden, die wie gewohnt auf mehreren Spuren parallel trällert und wie eine kindliche Hexe klingt - mal lieb, mal böse.
Zu den Instrumenten der Begleitband zählen neben Gitarren, Bass, Cello, Schlagzeug, Ziehharmonika und Synthies auch ein total verstimmtes Klavier, das neben Casadys Stimme schon fast die Hauptrolle übernimmt. Natürlich fehlt auch das ein oder andere Sample nicht.
Eine wenig erbauende, fast schon finstere Liedersammlung, die Geschichten von schrägen Charakteren erzählt, einer von ihnen tatsächlich der titelgebende Oskar Hocks, was im Knastjargon auch 'Socken' bedeutet. "I'm in jail / A restless widow / With feline features / BRawny creature sustained alone / On unmet desire" erklärt Casady sinnigerweise in "Hay Lofts".
Vor dem Album kam noch ein Theaterprojekt namens "Porno Thietor", bei dem die Musikerin und Performanceartistin die meiste Zeit hinter dem Vorhang verbrachte und ihren Begleitern (Cult international Alliance, C.i.A.) die Bühne überlies. In einem sehenswerten Promozettel (auf der Schreibmaschine geschrieben und mit einem gewohnt schrägen Bild verziert) erklärt Casady, dass sie bereits 1994 als Zwölfjährige begonnen habe, an dem "teilweise auto-erotischen Porträt" zu arbeiten.
Zur Musik gab es nicht nur Performances, Casady drehte auch mehrere Videos, dazu ein recht gruseliges zu "Poor Deal". Doch die Platte funktioniert auch ohne visuelle Elemente. "I often played the dark side of Cocorosie. And now I don't have to worry about being too dark, too scary, too weird", erklärt Casady. Wer Cocorosies Musik mag, "Heartache City" aber zu lieblich fand, ist hier genau richtig.
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