laut.de-Kritik
Der Nebel hat sich gelichtet, nie klang der Smog-Sänger heiterer.
Review von Martin LeuteWas ist in Bill Callahan gefahren? Der exzentrische Musiker war in den letzten Jahren ein Garant für düsteres, minimalistisches Songwriting, das er in Lo Fi-Manier in zumeist tieftraurige Melodien gepackt und als Smog oder (Smog) veröffentlicht hat. Auf "Woke On A Whaleheart" präsentiert er sich nun unter seinem bürgerlichen Namen ungewohnt gutlaunig und bunt, von Verstörung und Unzugänglichkeit keine Spur. Dem Amerikaner scheint es gut zu gehen, was sicher nicht nur an seiner Beziehung zu Label-Kollegin Joanna Newsom, der er auf der gemeinsamen Australien-/Neuseeland-Tour näher gekommen ist, liegt.
Festzuhalten ist, dass die Veröffentlichung dieses Albums unter dem eigenen Namen einen musikalischen Neuanfang suggeriert. Eine zentrale Rolle spielt dabei Michael Hagerty (The Royal Trux, Pussy Galore), der mit der vielseitigen und offenherzigen Produktion wesentlich zur stimmungsvollen und positiven Atmosphäre beiträgt.
"When you are blind/ you touch thighs for their shape/have faith in wordless knowledge/ Well I could tell you about the river/ or we could just get in" singt er im ruhigen, vom Piano getragenen Opener "From The Rivers To The Oceans". Schlagzeug, Streicher und eine E-Gitarre sorgen für einen flächigen Hintergrund. Nach wie vor prägt sein unnachahmlicher, monotoner Bariton die Songs, aber textlich wie melodisch versprüht er einen neugewonnenen Optimismus. "Footprints" überrascht mit einem stampfenden Beat, dem Backgroundgesang der über Albumlänge agierenden Gospelsängerin Deani Pugh-Flemmings und hartem Geigenspiel.
Ähnlich arrangiert ist das mit einem schönen Basslauf unterlegte "Diamond Dancer". Ausgeglichener und sonniger als in "Sycamore" klang Bill Callahan selten. Wunderbares Gitarenpicking begleitet den weichen Gesang, der zu einer lieblichen Melodie und dem zweistimmig vorgetragenen Refrain anhebt. Die Country-Nummer "The Wheel" exemplifiziert die Neuerfindung Callahans. Nachdem er jede Zeile beiläufig und leise vor sich hin sagt, ruft er sie anschließend noch einmal ab, diesmal singend und melodisch. Der frühere trifft hier auf den aktuellen Musiker, die Verschlossenheit macht der Offenheit Platz.
Eine Steel-Gitarre führt durch das sinistre "Honeymoon Child", ehe mit "Day" der verspielte Höhepunkt des Albums folgt. Der sonore Gesang springt auf schlichte, flott geschlagenen Klavierakkorde auf, um fröhlich anzuheben und wieder sanft abzuebben. "Learn from the animals/ monkeys do piggish things too" singt er, unterstützt von Pugh-Flemmings, und weist auf die Ähnlichkeiten des Menschen zum Affen hin. Dem Tag folgt die Nacht, leise Töne klingen in der Pianoballade "Night" an, bevor die Platte mit dem countryesken "A Man Need A Woman Or A Man To Be A Man" heiter endet.
Mit früheren Smog-Platten verbindet "Woke On A Whaleheart" nur die auf wenige Tonhöhen reduzierte Stimme Callahans. Neu sind die ungetrübten, frischen Arrangements, die ohne jegliche Form von Dissonanz auskommen und der harmonische Backgroundgesang.
Smog-Fans können sich von der musikalische Weiterentwicklung Callahans überraschen lassen, allen anderen Freunden des Songwritertums zwischen Lambchop und Bonnie 'Prince' Billy sei dieses Werk als Einstieg in die Welt eines unkonventionellen Musikers ans Herz gelegt. Der Nebel hat sich gelichtet, möge Callahans Herzensglück lange andauern!
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