laut.de-Kritik
Mit Elektro-Punk und 80s-Sounds gegen Leid und Frust.
Review von Jasmin LützMit einer eingängigen Folk-Pop-Klaviermelodie läutet "Metalhorse" das gleichnamige dritte Album der englischen Songschreiberin Billy Nomates ein. Die Platte ist nach dem Tod ihres Vaters und der damit einhergehenden Auseinandersetzung mit Verlust entstanden. Dennoch klingen die Melodien entspannter, weniger schwer. Als hätte Tor Maries den entscheidenden Schalter umgeswitcht.
Um ihr geschundenes Seelenleben ging es bereits auf dem Vorgänger "Cacti". Da standen allerdings noch mehr äußere Einflüsse wie Brexit und Pandemie im Vordergrund. In "Metalhorse" verarbeitet die 35-Jährige persönliche Schicksalsschläge und Erfahrungen, die sie noch stärker gemacht haben. So wurde sie 2023, wie viele in der Öffentlichkeit stehenden Personen, mit Hass-Kommentaren in den Sozialen Netzwerken konfrontiert. Dies artete in der Folge eines Glastonbury-Festival-Auftritts so aus, dass sie ihren Instagram-Account löschte.
Der Vorwurf: Sie würde nicht live spielen und ihr Auftritt gleiche einer Karaoke-Show. Nur weil sie ähnlich der Sleaford Mods mit Laptop auf die Bühne geht und dazu singt. In ihrem Fall kamen frauenfeindliche Kommentare hinzu. "Metalhorse" zeigt nun, wer zuletzt lacht und ist generell mal wieder ein Beweis dafür, wie gefährlich Hass und Dumpfbacken-Sprüche im Netz sind. Billy Nomates hat Stärke bewiesen und weitergemacht. So klingt die Realität. Danke für deinen guten Job, Tor!
Ihrem bluesigem Punk-Elektro-Sound bleibt sie treu. "Nothin Worth Winnin" ist mit seinem 80s-Feeling im heutigen Underground bestens zu Hause. Indie-Pop trifft auf New Wave-Punk und dabei hilft auch Gastmusiker Hugh Cornwell von den Stranglers bei "Dark Horse Friend" gerne aus. Billys Vater war großer Stranglers-Fan, umso verrückter, dass der Frontmann nun ein Teil dieser Platte ist.
In der Singleauskopplung "The Test" geht es darum, an Widerständen zu arbeiten und die Hilfe anderer anzunehmen. "Hall of mirrors / I do the wall of death / If they can see us / That's the test. " Die Aufnahmen entstanden wenige Wochen nach dem Tod ihres Vaters, dem sie sehr nahestand. Umso mehr wuchs ihre Band im Studio zusammen. Mit dabei auch einige Indie-Promis wie die Bassistin Mandy Clarke von The Go! Team oder Schlagzeuger Liam Chapman von BMX Bandits und Rozi Plain.
Tors Stimme geht in harmonisch-mehrstimmigem Chorgesang auf, oft lebendig und straight nach vorne gerichtet ("Override"). In "Plans" kommt "Flashdance"-Feeling auf, "Life's Unfair" dagegen ist mehr eine Soul-Hymne. Melancholie und düstere Gedanken sind in Tors Musik omnipräsent. Eine MS-Diagnose, die kürzlich bei ihr entdeckt wurde, kommt in "Comedic Timing" zum Tragen: Eine ruhige Komposition zwischen Rausch und Zerfall. Zwischen der Sehnsucht nach Applaus und der Suche nach einem dunklen Versteck. Die Achterbahn des Lebens.
Die mentale Gesundheit ist bei vielen Musiker:innen Thema und wird heute transparenter präsentiert. Sei es in Buchform oder eben in Songtexten. "Die Tage von Leonard Cohen liegen wahrscheinlich noch vor mir", sagte Tor kürzlich mit einem Lachen. Der Kanadier sprach offen über seine Depressionen und nutzte die Krankheit für seine Songs. So spricht nun auch Tor über ihren Zustand. Selbstreflexion und Selbstschutz waren auch in unserem Interview von 2023 Thema: "Ich versuche meine Aufmerksamkeit nicht mehr auf alle Reaktionen zu richten. Nach meinem ersten Album habe ich sehr viel Wert daraufgelegt, was die Leute sagen, und das ist wirklich gefährlich. Wenn sie es gut finden, dann ist das großartig. Wenn sie es geringschätzen, ist das auch gut. Es ändert nichts daran, wie du es und warum du es gemacht hast. Und deshalb versuche ich eigentlich gar nichts darüber zu lesen."
Eine gesunde Einstellung. Einfach mal die Sozialen Medien ignorieren, sich in Ruhe zu Hause hinsetzen und nur Musik hören. "Metalhorse" ist dabei die richtige Medizin und Billy Nomates eine hörenswerte Musikerin, die auch trotz dunkler Momente zuversichtlich bleibt.
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