laut.de-Kritik
An Pathos mangelt es den Münchnern nicht.
Review von Dominik KalusAn Pathos mangelt es Blackout Problems nicht. Da hauen sie einfach das Albumintro als erstes Video raus, in dem sie durch das nächtliche Brighton pilgern und voller Inbrunst und Aufbruchsstimmung ihre Botschaft rausschreien: "We will be one!". Die Wahlmünchner vermitteln eine "Do it yourself und gib niemals auf"-Attitüde, die nur eine Band rüberbringen kann, die sich jeden Schritt mühsam selbst erarbeitet hat.
Seit sieben Jahren haben Blackout Problems sich nie beirren lassen: nicht von den düsteren Aussichten im Musikbusiness, nicht durch die Labels, die ihre Musik ablehnten. Nicht vom Kopfschütteln der Freunde und Familie, als sie ihr Studium abbrachen, um sich auf die Musik zu konzentrieren. Mit "Holy" veröffentlichen die Blackout Problems nach zwei EPs nun ihr zweites Album – in Eigenregie.
Darauf finden sich 13 moderne, poppunkige Alternative-Rocksongs, die Klischees meist vermeiden. Dezente, aber innovative Gitarrenarbeit, und Refrains, die gerne mal ins Hymnenartige raufgleiten, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. Ein musikalisches Motiv verbindet die Songs, im Schlusstrack "Poets of Protest" findet das Album sein stimmungsvolles Ende. Der Sound klingt dabei wunderbar roh und unverfälscht, angenehm erdig und kommt trotzdem mit voller Wucht.
Der Gesang ist dabei sicher nicht makellos, fügt sich aber ins Gesamtkonzept. Was zählt ist nicht die zu hundert Prozent getroffene Note, sondern die Message dahinter. Und die ist ziemlich eindeutig: "One part has everything and even asks for more, the othe's in the gutter – got too less to live on", heißt es in "The King".
Klassenkampf, die armen Ratten gegen die gierigen Reichen, ist ein zentrales Motiv auf "Holy". Das mag vielleicht manchem plump und vereinfacht erscheinen – die ungleiche Verteilung von Wohlstand ist aber nun mal eines der drängendsten Probleme der Welt. Blackout Problems sind wütend, aber nicht verzweifelt, die Grundeinstellung ist Optimismus in Zeiten des kollektiven Zynismus. Und so geht die in den Liedern besungene Revolution gut aus: "We came, we saw, we conquered", die Machthaber beugen sich dem Widerstand.
Und welche Früchte ein bedingungsloser Optimismus in der Realität tragen kann, zeigt die Zusammenarbeit mit Boysetsfire-Frontmann Nathan Gray. Nachdem sie diesen auf einem Weinfest in Pforzheim näher kennen gelernt hatten, steuerte der beim Song "Boys Without A Home" seine Singstimme bei – und einen Gänsehaut-Shout. Der Song selbst bietet eine kluge Hook mit erheblichem Ohrwurmcharakter, auch wenn sie textlich knapp an der Abgedroschenheit vorbeischrammt.
Überhaupt gibt's Abzüge bei den Texten, die klingen meistens allzu deutsch. "I stand on top of this city looking down", das ist Fünftklässler-Vokabular, und die zentrale Metapher von "Black Coffee" geht nicht auf. So "stark wie Kaffee" ist zwar ein nettes Wortspiel, aber eine eine ganze Armee so "stark" wie eine Tasse Kaffee trotzdem schwach. Nichtsdestotrotz macht "Holy" Spaß. Ein paar Songstellen klingen noch unausgereift, aber insgesamt ist das Album doch innovativer als das meiste, was die großen Ami-Poppunkbands in den letzten Jahren zustande brachten
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