laut.de-Kritik

Von elf Songs sind acht eine Katastrophe.

Review von

Es ist immer so ein bisschen komisch mit Bands, die schon seit Jahrzehnten Musik machen. Sie haben die besten Zeiten der Popmusik miterlebt und waren sogar verantwortlich für sie. Auf sie wird sich berufen, von ihnen wird kopiert, sie sind das Fundament von allem, das auf sie folgt. Auch Blondie waren verflucht cool, als sie 1974 mit ihrer New Wave-/Punk-Masche an den Start gingen. Es gibt also keinen akzeptablen Grund, warum sie irgendwann aufhören sollten, cool zu sein. Nein, Alter ist keine Ausrede, im Gegenteil: Warum nicht gelassener sein, warum nicht vom Erfahrungsreichtum der letzten Jahrzehnte zehren, oder warum nicht einfach das machen, was man schon vor 30 Jahren getan hat – und damit alle Hipster eines Besseren belehren und, ja, abholen?

Wenn man all diese Möglichkeiten negiert und einfach nichts davon tut, kommt eine Platte wie "Pollinator" zustande. Elf Songs, von denen mindestens acht eine Katastrophe sind. Wäre da nicht Debbie Harrys einzigartige, kühle Stimme und die namhaften Kollaborateure - es gäbe keinen Grund, dem Album überhaupt eine Chance zu geben. So sind in "Doom Or Destiny" Joan Jett und Laurie Anderson mit an Bord, aus den Federn von Devonté Hynes (Blood Orange) stammt "Long Time", Dave Sitek (TV On The Radio) zeichnet verantwortlich für "Fun", Sia und Nick Valensi (The Strokes) sind schuld an "Best Day Ever" und Johnny Marr hat "My Monster" mitverbrochen. Nur zwei Songs wurden gemeinsam vom sonst gut funktionierenden Duo Debbie Harry und Chris Stein geschrieben. Dabei wären Blondie bei ihrem elften Studioalbum besser beraten gewesen, ohne all diese die Suppe verderbenden Köche.

Nach ein paar Experimenten auf den letzten Alben sollte wohl alles wieder bandmäßiger und originaler klingen, ist aber eine Art Recycling des Schlechteren der Band geworden. Die erste Hälfte der Platte klingt nach sehr erzwungenem Ohrwurm-Gesuche, auf jung Gemache und 'Boah, wir brauchen dringend noch einen catchy Refrain!' Das äußert sich dann in klischeebeladenen Gitarrensoli und einem Oh-oh-Refrain wie in "Doom Or Destiny", in niedlichem Gedudele und der Erinnerung an "Heart Of Glass" in "Long Time", dem Abdriften ins schlagerhafte in "Already Naked" und unsäglichen Lyrics wie in "Fun" ("You're my fun when I’m down/ You pick me up again, you pick me up again/ You’re my fun, too much fun"). Von "Fun" hat man hier tatsächlich schnell 'too much'.

Aber selbstverständlich hat "Pollinator" auch seine netten Momente: "Gravity" klingt gar nicht allzu gewollt, ist typisch Blondie-kokett und einfach lässiger, "When I Gave Up On You" klingt wie ein erträglicher Country-Pop-Song, "Love Level" wäre eine hervorragende Single gewesen und "Fragments", ein Cover der Band An Unkindness, ist ein starkes, düsteres, an Bowie erinnerndes Ende einer Platte, von der man vielleicht nur eben diesen letzten Track behalten sollte. Der ist nämlich tatsächlich cool und der Beweis, dass es wohl doch noch geht. Vielleicht beim nächsten Mal dann wieder richtig. Halt bloß durch, beste Debbie!

Trackliste

  1. 1. Doom or Destiny
  2. 2. Long Time
  3. 3. Already Naked
  4. 4. Fun
  5. 5. My Monster
  6. 6. Best Day Ever
  7. 7. Gravity
  8. 8. When I Gave Up on You
  9. 9. Love Level
  10. 10. Too Much
  11. 11. Fragments

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Blondie – Pollinator €4,18 €3,00 €7,18

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Blondie

Ist das Punk, New Wave oder was jetzt? Das war die Frage, als Blondie Ende 1976 mit ihrem gleichnamigen Debütalbum die Manege betreten. Ausgesprochen …

8 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Bei Blondie bin ich gnädig, weils ja eher post-punk und New Wave ist... aber generell sollte keine Punk Band länger als 15-20 Jahre Musik machen. Generell sollte ein richtiger punk auch nie ü40 werden (Ausnahme: el Duce von den mentors)
    Ich glaube, tatsächlich die einzige Band von "damals", die auch heute noch regelt sind social distortion. Zumindest bis 2009

  • Vor 7 Jahren

    Einspruch ... ein richtig gutes Album - unterstreicht auch der arte live gig vom SchwuZ/Berlin, der am 7.7. ausgestrahlt wird. Einfach mal anschauen und neu urteilen "Herr Kritiker" - Blondie hat einfach Bock, macht Bock und verbreitet diese Lust und Laune aufs Publikum. Ich jedenfalls bin sehr froh, über jeden gig den ich sehen kann..

  • Vor 7 Jahren

    Einspruch ... ein richtig gutes Album - unterstreicht auch der arte live gig vom SchwuZ/Berlin, der am 7.7. ausgestrahlt wird. Einfach mal anschauen und neu urteilen "Herr Kritiker" - Blondie hat einfach Bock, macht Bock und verbreitet diese Lust und Laune aufs Publikum. Ich jedenfalls bin sehr froh, über jeden gig den ich sehen kann..