laut.de-Kritik

"Man könnte ja noch mal ne Mark machen ..."

Review von

Als ich mitbekam, dass "Boytronic" wieder eine CD in Originalbesetzung veröffentlichen, habe ich an eine meiner Lieblingsplatten aus den 80ern denken müssen: "The Working Model". Und ich hatte gehofft, dass "Autotune" annähernd solch eine Klasse bieten könnte.

Aber schon das Artwork des Covers lässt zu wünschen übrig. Ein blauuniformierter Mann steht in einem Boot, von Schwänen umringt? Was soll das denn? Das würde wohl eher zu einer Klassik-CD oder auch zum Sissi-Soundtrack passen. Doch zur Musik. Leider musste ich feststellen, dass bis auf drei oder vier Ausnahmen die Tracks zumeist aus sehr getragenen, melancholischen und fast schon überschnulzigen Synth-Pop Balladen bestehen wie z.B. "Children Of The Sun" und "Outlaw In The Valley". Das haben Boytronic doch früher auch gemacht, kann man nun argumentieren, aber es gibt eben gute Balladen und schlechte Balladen!

So fehlt es bei "Autotune" an Kraft und Eingängigkeit, die hier durch Kitsch und Einfachheit ersetzt wurde. Die meisten Songs sind an sich ganz nett anzuhören, aber leider auch nicht mehr. Es fehlt das gewisse Etwas, das Boytronic früher so besonders machte. Auch die Stimme von Sänger Holger Wobker ist nicht mehr so voller Energie und mitfühlendem Charme wie 1983. Auf "The Working Model" klang Wobker, als würde er jauchzen vor Freude und Liebe, wovon nach knapp 20 Jahren nicht mehr viel übrig zu sein scheint. Nur mit "The Wire" lässt Wobker die Fähigkeiten seiner Stimme nochmals an vergangene Tage heranreichen. Aber das ist leider zu wenig, um ein ganzes Album zu füllen.

Wer auf diesem Album Hits wie "Luna Square" oder "You" sucht wird folglich enttäuscht. Lediglich "I Will Follow", "Pioneers","The Wire" und vielleicht noch "Song For The Lonely" erinnern an den Flair, den Boytronic in den 80ern versprühten, und man beginnt spontan im Takt zu wippen. Diese Lieder bestechen durch groovige, tanzbare Elektro Beats, mit eingängigen Melodien. "I Will Follow" überzeugt durch markante Samples wie z.B. ein verzerrtes Saxophon und andere Soundspielereien, die auf dem Album ansonsten zu kurz kommen. "Song For The Lonely" weckt gar Erinnerungen an "Go West" von den Pet Shop Boys.

Das letzte Lied allerdings ist tatsächlich das "Letzte". Deutsch gesungen, balladesk vorgetragen, heuchelt Wobker Worte über die Dunkelheit ... das ist einfach nur peinlich.

Wer auf getragene Synth-Pop Balladen steht, die mit warmen, leicht schnulzigen Melodien durchsäht sind, der wird diese Platte mögen. Wer darauf sinnt, "The Working Model" im neuen Jahrtausend wieder zu finden, sollte nicht zu viel erwarten, denn wie gab Sänger H. Wobker unlängst recht ehrlich zu Protokoll: "Wir waren beide bankrott und haben uns gedacht, wenn all die anderen aus ihren Löchern wieder hervor kriechen, können wir das auch. Man könnte ja noch mal ne Mark machen. Wir haben dann schnell in drei Wochen ein Album zusammen geschraubt."

Trackliste

  1. 1. Love Remains
  2. 2. I Will Follow
  3. 3. Living In Without You
  4. 4. Outlaw In The Valley
  5. 5. Tune Called Emotion
  6. 6. Pioneers (Are Marching On!)
  7. 7. A Song For The Lonely
  8. 8. Perfect Lover
  9. 9. Children Of The Sun
  10. 10. You'll Never Be The Same
  11. 11. How Soon
  12. 12. The Wire
  13. 13. In die Dunkelheit

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