laut.de-Kritik

Der Beach Boy ehrt eine Musiklegende.

Review von

Zu Beginn der 80er hätte kaum jemand einen Pfennig darauf gewettet, dass Brian Wilson noch lange in der Lage sein würde, Musik zu machen. Von Alkohol, Drogen und Depressionen in ein wandelndes Wrack verwandelt, schien der Eintrag ins traurige wie umfassende Buch der am Leben gescheiterten Musiker nur noch eine Frage der Zeit.

30 Jahre später hat er nicht nur sein (angebliches) Meisterwerk "Smile" zu Ende gebracht, sondern auch seine Bühnenangst überwunden, weltweit gefeierte Konzerte gegeben und sogar ein taugliches Album mit neuem Material veröffentlicht. Aus dem Abgrund ist er wieder in sonnige Höhen geflogen, wie der Titel seines Vorgängeralbums "That Lucky Old Sun" belegt.

Nun hat ihn der Disney-Konzern für zwei Platten unter Vertrag genommen. Beides Auftragsarbeiten. Auf der nun vorliegenden ersten sollte sich Wilson als Musiklegende einer weiteren Musiklegende widmen: George Gershwin, der in den 20er und 30er Jahren mit Musicals und Proto-Popliedern die Welt verzauberte.

Das ist nichts Außergewöhnliches, schließlich schrieben viele klassischen Komponisten auch nicht nur ihrer Nase nach, sondern auf Anfrage. Neben Talent diente die klingelnde Kasse als Hauptquelle für die Muse. In diesem Fall spielen auch Erinnerungen an die Kindheit eine Rolle.

Dass "Rhapsody In Blue" eine seiner ersten musikalischen Erinnerungen sei, hatte Wilson schon vor diesem Projekt erklärt. Seine A Cappella-Version, die die restlichen Stücke umrahmt, ist also Beginn und Ende einer nostalgischen Reise.

Das Herzstück des Albums machen die Stücke drei bis sechs aus, die allesamt aus der Oper "Porgy & Bess" stammen. "Summertime" geht nicht so unter die Haut wie in Janis Joplins Version, klingt aber dank John Barry-Anleihen recht cool und könnte durchaus als sexy Bond-Song durchgehen.

Mit exzellenten Harmonien - versteht sich - denn das wesentliche Interpretationsmerkmal bleibt die Beachboyisierung des ausgewählten Materials. Ein Unterfangen, das nicht schief gehen konnte, spielen sowohl bei Gershwin als auch bei Wilson Ohr schmeichelnde Melodien eine zentrale Rolle.

Orchestrale Klänge vermischen sich elegant mit Bandbegleitung und deren Stimmen. Für die einzige Dissonanz sorgt Wilson selbst, dessen eigenes Organ längst nicht mehr das Kräftigste ist. Das elektronische Glattbügeln besonders heikler Stellen wirkt sich sogar eher zum Nachteil aus. Denn gerade dort liegt das Besondere an diesem Album: Es wirkt lebendig und nicht lediglich wie ein Abklatsch bekannter Stücke.

Dass mit "The Like In I Love You" und "Nothing But Love" zwei bislang unbekannte Gershwin-Kompositionen mit dabei sind, ist eher Nebensache. Sie fügen sich nahtlos in das restliche Material ein, das in Stück neun auch eine besonders nette Zeile aufweist: "TV and radio may be just passing fancies, but my dear, my love is here to stay".

Zu betonen ist auch die aufwändige Gestaltung, mit gestanzten Klaviertasten auf dem Cover, die davonschweben. Wilson ist mit diesem Album nicht unbedingt ein Meisterwerk gelungen, dafür eine fröhliche Hintergrundbeschallung, die einen gewissen Anspruch besitzt.

Die zweite Auftragsarbeit ist übrigens eine Überarbeitung bekannter Stücke aus Walt Disney-Filmen. Mal schauen, ob die ihm auch so gut gelingt.

Trackliste

  1. 1. Rhapsody In Blue (Intro)
  2. 2. The Like In I Love You
  3. 3. Summertime
  4. 4. I Loves You, Porgy
  5. 5. I Got Plenty O' Nuttin'
  6. 6. It Ain't Necessarily So
  7. 7. 'S Wonderful
  8. 8. They Can't Take That Away From Me
  9. 9. Love Is Here To Stay
  10. 10. I've Got A Crush On You
  11. 11. I Got Rhythm
  12. 12. Someone To Watch Over Me
  13. 13. Nothing But Love
  14. 14. Rhapsody In Blue (Reprise)

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