laut.de-Kritik
Als atemberaubender Post Hardcore vertontes Leiden.
Review von Manuel Berger"This is an open letter to myself in ten years' time / I'm sorry if you're not around to read this / I swear that I tried", schreit Tom Weaver in "Wavering". Leicht verdaulich geht anders. Schmerzhaft direkt, manchmal fast zu direkt, vertonen Casey auf ihrem zweiten Album die Krankengeschichte ihres Frontmanns. Musikalisch bestätigen sie sich als neues Mitglied der Post Hardcore-Elite.
Die Akte, aus der der junge Weaver seine Lyrics speist, ist prall gefüllt: Glasknochen, chronische Darmkrankheit, Herzinfarkt, Schlaganfall, Verkehrsunfall... Und all das begünstigt die auf dem Album omnipräsente Depression, die er mit solchen Zeilen kanalisiert: "It seems the only solace I'm afforded is now instead of wanting to kill myself I just sleep." Statt an songübliche Verse erinnert die Form seiner Texte häufig mehr an gesprochenen Monologe. Das führt zu durchweg unvorhersehbarem Verlauf seiner Gesangslinien, dennoch strickt Weaver sie melodisch und griffig.
Stärker als beim Debüt "Love Is Not Enough" vertraut er dabei auf Clean-Vocals. Instrumental gehen Casey diesen Weg mit und präsentieren sich ruhiger. "Making Weight" lebt von sanftem Gesang und warmen Gitarren-Akkorden, die Ballade "Needlework" überzeugt mit einem feinen Umgang mit einer zentralen, kontinuierlich variierten Melodie. Das 'Hardcore' aus 'Post Hardcore' streichen sie in diesem Fall.
Ihren kompositorischen Höhepunkt erreichen Casey bei "Bruise". Auch hier fehlt zunächst jede Aggression, die Gitarristen Liam Torrance und Toby Evans orientieren sich gen Shoegaze und Indie. Ungemein bereichert Drummer Max Nicolai den Track – erst mit perkussivem Klackern seiner Stöcke, später mit atmosphärischen Paukenschlägen, die auf den unvermeidbaren Ausbruch vorbereiten. Weavers brutales Aufbäumen nach knapp drei Minuten wirkt so wie eine Erlösung.
Welch begnadeter Shouter Weaver ist, demonstriert er vor allem in "Wavering" und "Wound", die das Album wie zwei Grenzpfeiler abstecken und damit wesentlich zum Albumerlebnis von "Where I Go When I Am Sleeping" beitragen. Beide Tracks kommen mit "Peripherie-Region", durch die der Hörer ins Album hinein- bzw. hinausgelangt. Vor "Wavering" steht mit "Making Weight" ein kurzer, aufs Storytelling fixierter Track, bei dem die Instrumente vor allem die Kulisse für den Gesang kreieren. Nach diesem Prinzip agieren Casey in der zweiten Hälfte von "Wound", wo Weaver zum Abschluss in Spoken Word verfällt. Vorher sorgen außerdem zwei Soundscape-Interludes ("&", "Morphine" sowie das das Post Rock-Instrumental "Where I Go When I Am Sleeping" für stimmungsvolle Übergänge zwischen den Songs.
Durch vielschichtigeres Songwriting und atmosphärischeren Ansatz braucht "Where I Go When I Am Sleeping" etwas mehr Zeit als der Sofortzünder "Love Is Not Enough". Vergleichen lassen sich die beiden Alben deshalb nur schwer. Der Eindruck, den bereits das Debüt hinterließ verstärkt sich nach dem Hören aber noch: Auf lange Sicht dürften Casey zu den Größen des modernen Post Hardcore, wie etwa Touché Amoré, aufschließen. Denn bereits jetzt – vier Jahre nach Bandgründung – halten sie deren qualitatives Level locker mit und liefern außerdem frische Impulse.
2 Kommentare mit einer Antwort
"This is an open letter to myself in ten years' time / I'm sorry if you're not around to read this / I swear that I tried"
Die Akte, aus der der junge Weaver seine Lyrics speist, ist prall gefüllt: Glasknochen, chronische Darmkrankheit, Herzinfarkt, Schlaganfall, Verkehrsunfall... Und all das begünstigt die auf dem Album omnipräsente Depression, die er mit solchen Zeilen kanalisiert: "It seems the only solace I'm afforded is now instead of wanting to kill myself I just sleep."
Da ist es schwer unvoreingenommen an die Musik heranzutreten.
Beim Lesen der review Stelle ich mir den Casey Sänger ungefähr so vor wie Seth Putnam im Endstadium
meilenstein für anal cunt wurde ja schon zig mal gefordert.
leider zeigt sich die lautjournaille dbzgl. ja ziemlich uneinsichtig