laut.de-Kritik
Energisch und ehrgeizig gegen die eigene Inszenierung.
Review von Dominik LippeAuf Instagram vermittelt sie eindrucksvolle Einblicke in ihren Trainingsalltag. Wenn Chanle vergleichsweise exotische Kampfsportarten wie Muay Thai und Brazilian Jiu-Jitsu betreibt, wirkt das ungeheuer handfest, diszipliniert und vor allem glaubwürdiger als das Oktagon-Geschwätz mancher Kollegen. Zugleich dokumentiert sie täglich, wie sie Körper und Geist regeneriert - mit Yoga, Massagen, gutem Essen und der Herrlichkeit thailändischer Strände. Mit diesem mehrdimensionalen Bild ließe sich arbeiten, doch die Frankfurter Rapperin zielt auf "Lotus Im Asphalt" lieber auf die eigene Inszenierung.
Auf "Married To The Game" warnt sie vor sich selbst: "Lass dich nicht manipulieren von meinem Image auf Instagram. Das ist alles Illusion." Vor allem ist das schade. Als wäre sie eine zweite Katja Krasavice, die Rap eigentlich nur als Vehikel betrachtet, um ihre semipornografische Karriere auf OnlyFans zu bewerben, beschreibt sie sich in "Intro (Lebenszeichen)" selbst als "Thirst Trap", als manipulatives "Eye Candy", als "Dschinni", der die Nachfrage nach Bikini-Bildern stillt. So entzieht sie auf inhaltlicher Ebene ihrem selbstbestimmten und selbstbewussten Social-Media-Auftritt grundlos den Boden.
Dabei rollt ihr der vormals für Eunique zuständige Produzent Michael Jackson einen kampfoptimierten Klangteppich aus. Weihevoll begleiten Chöre und Orgel die als "Intro (Lebenszeichen)" titulierte Einlaufmusik, hypnotische Echos und Schussgeräusche treiben die Rapperin durch "Bando" und "Podest" setzt den Ehrgeizling mit auditiven Links-Rechts-Kombos in Szene. Chanle sprintet verbal durch die Sirenen, aber inhaltlich bleibt sie schludrig. Aus dem Chaos dringen nur punktuell Gemeinplätze à la "Der Sheytan, der wollte mich testen" oder "Nie wieder Nudeln mit Ketchup" hervor.
Die meisten Fragen dürfte "Bando" hinterlassen. "Family ist am Hungern - nur deshalb bin ich hier", behauptet sie etwa. Das klingt geradezu pflichtschuldig, ganz so, als sei es eben das, was Rapper so von sich geben sollten. Stereotyper Schmonzes, der ihren intrinsischen Eifer leugnet. Im selben Song prahlt sie mit ihrer kriminellen Karriere. "Gib mir alles, was Umsatz macht. Strafakte so groß, sie kamen mit Hundertschaft", rappt sie, bevor weitere Patronenhülsen auf den Boden fallen. Im Grunde fehlt hier nur noch das altbekannte Gerede von 'Rap als letzter Chance'.
Weitaus durchdachter klingt dagegen der Ansatz von "Married To The Game". "Mama, ich weiß, dass du Enkel willst, aber ich will noch kein' Mann. Ich hab' so vieles noch vor, habe Träume zu leben, fang' gerade erst an", schildert Chanle in greifbarer Form, wie familiärer Druck mit jenem kollidiert, den sie sich selbst macht. Mit nun gedrosselter Geschwindigkeit beschreibt sie zudem Vertrauensprobleme, die dem eigenen Kinderwunsch im Wege stehen: "Mein Herz voller Ängste, verlass' mich nie mehr auf ein' Mann." Auf die allzu süßliche Hook von Moe Phoenix hätte sie jedoch verzichten können.
Mit "4U" wählt sie einen verträumten Ausstieg aus ihrer EP, die ihre Fähigkeiten aufblitzen lässt, aber zugleich furchtbar unüberlegt wirkt. Dabei hat sie zuvor - erneut über Instagram - ihre Hörerschaft aufgefordert, "Lotus Im Asphalt" entlang der festgelegten Titelliste am Stück zu hören. "Ich habe mir sehr viel Mühe mit Storytelling + Reihenfolge gegeben", versicherte Chanle. Womöglich diente ihr das Statement aber auch wieder als Ablenkungsmanöver, denn wenn es der energischen, ehrgeizigen Rapperin an etwas mangelt, dann an Struktur und einem roten Faden.
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