laut.de-Kritik

Neue Helden braucht das Land, keine Gangsterrapper.

Review von

"Independent" - für Colos weit mehr als nur der Titel seines dritten Studioalbums. Es handelt sich vielmehr um ein Statement: "Nichts in der Welt ist so gefürchtet wie der Einfluss von Männern, die geistig unabhängig sind." In diesem Zusammenhang tönt "Independent" eher nach einer Kampfansage.

Statt jedoch im Rudel böser, böserer und bitterböser Gangsterrapper mitzurennen, huldigt der Koloss mit Wurzeln im Kosovo von Anfang an lieber der dem Dunkel abgewandten Seite: "Es ist schwer, ein guter Mensch zu sein", erkennt er ganz richtig. "Ein gutes Herz ist wie ein Königreich."

"Sei kein Egoist, denn das ist für die Seele Gift." Derlei An- und Einsichten offen auszusprechen, hebt Colos erfrischend positiv von der Masse ab. Seine harsche Stimme steht dabei in krassem Kontrast zur von 7inch konstruierten fluffig-melodischen Grundstimmung, Soul-Spuren inklusive.

Unter anderem geht auch die spannungsgeladene Kulisse zu "Keine Angst" auf 7inchs Konto, ebenso flackernde Synthies ("Und Es Geht Wieder Los") und die ineinander verflochtenen Melodien in "Für Immer Vereint".

Seinen größten Wurf landet der Berliner Produzent hier jedoch mit "Mein Herz Auf Der Straße". Mein vorauseilender Dank gebührt jetzt schon dem ersten, der mir die Quelle des hervorragend platzierten Samples verrät.

Was 7inches Beats stellenweise an Wucht fehlt, gleichen die Arbeiten Worocs mühelos aus: Unterschwellige Dramatik bergen die dunklen Streicherparts in "Wo Soll Es Hinführen", in dessen Hookline Jonesmann eine für R'n'B-Verhältnisse verblüffend unaufdringliche Rolle spielt.

Neben der Streicherschwermut bilden pumpende Bässe und breit schiebende Synthiewände Worocs Domänen. Für den Besuch von Hammer & Zirkel in "Keine Zeit Für Faxen" legt Zweiterer selbst Hand ans Mischpult.

Colos' eigene Geschichte lieferte im Grunde mehr als genug Stoff für ein halbes Dutzend spannender Rap-Alben. Schade nur, dass er nirgends wirklich ins erzählerische Detail geht. Seine Berichte beschränken sich auf Andeutungen, überspitzt formuliert: Früher wars schlimm, heute gehts besser.

Dabei hört man Colos' Entwicklung, spürt Durchlittenes ebenso, wie daraus resultierenden Erkenntnisgewinn. Eine genauere Beleuchtung seines Weges könnte also nur Interessantes zutage fördern. Die Information, dass ein Teil der Tracks im unfreiwilligen Exil in seinem Herkunftsland entstand, verwundert nicht.

Colos flowt zwar weder übertrieben abwechslungsreich, noch reimt er besonders vertrackt, gibt jedoch ein durchwegs solides und vor allem glaubwürdiges Bild ab. Ganz egal, ob er nun seinen Werdegang Revue passieren lässt, die "Berliner Mentalität" materialistischer "Sonnenbrille"-Träger unter die Lupe nimmt oder - gemeinsam mit Emine Bahar - seiner Frau eine Liebeserklärung ("Für Immer Vereint") nach der anderen ("Mein Leben Lang") unterbreitet.

Besonders humorvoll geht es nicht zu, es sei denn, ein schwergewichtiges Kindergärtner-Duo nimmt die Sache in die Hand. Der Gastgeber selbst steht viel mehr für auch nicht zu verachtende Tugenden: Risikobereitschaft, Anpacken, Nach-vorne-Blicken, Kopf oben behalten. Colos' Überzeugung: "Neue Helden braucht das Land / Ich mein' nicht so Gangstertypen, sondern Rapper mit Verstand."

Die Situation Jugendlicher, die nicht gerade unter bevorzugten Umständen groß werden müssen, liegt ihm merklich am Herzen. Er sorgt sich, "Wo Soll Es Hinführen", um die nächste Generation. Im Doppel mit Taichi fühlt er sich in Rosenkriegs-versehrte Seelen von Scheidungskindern ein ("Die Zeiten Haben Sich Geändert").

Colos geht mit rollendem R und dem Kopf voran durch die Wand. Wenn er dann noch sein Label feiert - "Mellowvibes ist das Team Nummer 1 aus Berlin" - dann kann eigentlich niemand widersprechen. Zumindest nicht, solange es mit dem Zusatz geschieht: "und das bleibt jetzt so - bis es endet."

Trackliste

  1. 1. Wie Ein Königreich
  2. 2. Wo Soll Es Hinführen feat. Jonesmann
  3. 3. Keine Angst
  4. 4. Independent
  5. 5. Und Es Geht Wieder Los
  6. 6. Der Teufel Will Mich Holen Feat. Jeyz & Criz
  7. 7. Für Immer Vereint feat. Emine Bahar
  8. 8. Mein Herz Auf Der Straße
  9. 9. Sonnenbrille
  10. 10. Keine Zeit Für Faxen feat. Hammer & Zirkel
  11. 11. Es War Nur Ein Traum feat. McQoppa
  12. 12. Früher War Es So
  13. 13. Die Zeiten Haben Sich Verändert feat. Taichi & Emine Bahar
  14. 14. Es Ist Egal
  15. 15. Mein Leben Lang feat. Emine Bahar

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30 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    @lautuser (« In der aktuellen? Dez-Ausgabe? Hab ich noch nicht.. »):

    jap, solltest du dir aber noch besorgen. erstaunlich lässige ausgabe mit dj premier interview und nwa classic feature + der kks ep!

  • Vor 15 Jahren

    @Sodhahn (« @lautuser (« In der aktuellen? Dez-Ausgabe? Hab ich noch nicht.. »):

    jap, solltest du dir aber noch besorgen. erstaunlich lässige ausgabe mit dj premier interview und nwa classic feature + der kks ep! »):

    Habe die Juice seit 3 Monaten bei meiner Stamm-Tankstelle im Abo (!), gestern war sie noch nicht da..

    Was hälste denn von dem SAV-Beileger? Taugt das was?

  • Vor 15 Jahren

    @lautuser («

    Was hälste denn von dem SAV-Beileger? Taugt das was? »):

    bin ja nich mehr so der kks freund, aber das ding finde ich wirklich gelungen! vor allem auch nette features am start zb 40glocc oder ceza. weiss allerdings nicht inwiefern diese tracks für fans schon bekannt sind!?

    auf der eigentlichen juice cd ist zudem noch ein sehr amtlicher track von sean price feat. ill mondo druff