laut.de-Kritik
Stimme und Klavier - mehr braucht Daisy Chapman nicht.
Review von Giuliano BenassiFür die Frau aus Bristol gilt dasselbe wie für Leonard Cohen, dessen "Hallelujah" sie zu Beginn ihrer Karriere überzeugend coverte: Mehr als ihre Stimme, ihre Worte und ihr Instrument braucht sie nicht, um den Hörer zu fesseln. Dass es in Cohens Fall die Gitarre und ihrem das Klavier ist, spielt nur eine Nebenrolle.
Cohen experimentierte im Laufe seiner Karriere immer wieder mit unterschiedlicher Begleitung, teils mit haarsträubenden Ergebnissen. Das sei ihm verziehen, schließlich hat er grandiose Musik geschrieben. In einem gewissen Sinne wandelt Daisy Chapman auf Cohens Spuren. Überzeugte sie auf ihren bisherigen drei Alben mit ihrer klaren, hohen Stimme, dem melancholischen Piano und den existentialistischen Texten, lud sie sich diesmal verschiedene Streichinstrumente ins Studio. Und, leider, auch ein Schlagzeug.
Der Opener, gleichzeitig der Titeltrack, beginnt wie bei Chapman gewohnt mit einfachen Akkorden und einprägsamer Stimme. Kaum hat man begonnen, sich einlullen zu lassen, beginnt es plötzlich im 4/4-Takt zu scheppern. Wie sich schnell herausstellt, handelt es sich nicht um den unbegabten Nachbarn, sondern tatsächlich um eine Begleitung, die auch in den folgenden Stücken hartnäckig im Ohr hängen bleibt. So außer Kontext, dass es von den Liedern ablenkt, die eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.
Zum Glück besinnt sich Chapman ab Lied 6 auf ihre Stärken. "The Life Of Mary May" trägt sie so gut wie a Capella vor, "The Hangman's Waltz" ist eine volkstümliche Ballade, die mit Klavier und Streichern auskommt und an Nino Rotas Soundtrack für den "Paten" erinnert. Mit "Disarm", eines der besten Stücke der Smashing Pumpkins, beweist sie mal wieder, wie gut sie Lieder anderer Künstler covern kann.
Dazwischen hinterlässt "A Sinner Song" einen ebenso guten Eindruck wie das abschließende "The Girl in Hannover", das Chapman tatsächlich in Deutschland, allerdings in Bremen, aufgenommen hat. Die meisten anderen Stücke entstanden in ihrer Heimatstadt Bristol, unter der Führung Ali Chants, der unter anderen schon PJ Harvey, Giant Sand und Portishead betreut hat.
Ein Album mit zwei Gesichtern, von denen das erste leider durch das Arrangement verhunzt wurde. Live begleitet sich Chapman zum Glück nur mit ihrem Klavier und einem Loop-Gerät, mit dem sie ihren Gesang zwischenspeichern kann. Im November 2013 kann man sich bei ihrer Deutschland-Tour selbst von ihren Qualitäten überzeugen.
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