laut.de-Kritik

Verlieren schützt vor Bohlen nicht.

Review von

Man möchte am hellen Vormittag bereits Magenbitter saufen, so sauer stößt einem die Galle auf. Dabei überrascht einen bei näherer Betrachtung eher, dass die Strippenzieher hinter "Deutschland sucht den Superstar" erst jetzt auf die Idee kommen, neben dem Gewinner auch den Zweitplatzierten erbarmungslos auszuschlachten.

Luca Hännis Erstling ist noch nicht rechtschaffen verdaut, schon folgt sieben Tage später (!) das Album seines Finalkonkurrenten Daniele Negroni. "Produced by Dieter Bohlen" nach bekanntem Strickmuster:

"Als 'Debüt-Album' mag man die hastig und entsprechend lieblos hingeschluderte Compilation gar nicht bezeichnen" hatte ich vergangene Woche bereits geschrieben. Aber wenn sich der Produzent keine Mühe gibt, wieso sollte es der Rezensent tut?

Weiter im Text: "Zum Gewinner-Song gesellen sich fünf bewährte Hits, die Luca im Verlauf der Mottoshows bereits zum Besten gab. Produktionen von Bohlens Fließband füllen die Trackliste auf die offenbar obligatorischen zwölf Nummern auf. Hallelujah."

Aus dem "Gewinner-" machen wir flugs einen "Final-Song". Streiche "Luca", setze "Daniele" - und es stimmt. Beinahe. Offensichtlich liegt Dieter Bohlen sein Vize-Sieger mehr am Herzen als das aalglatte Schweizerlein, das am Ende gewonnen hat. Für Daniele zieht er nämlich satte acht - statt für Luca sieben - Nummern aus seinen überquellenden Schubladen.

Hätte Bohlen dreimal so viel Herzblut investiert, wie er Luca Hänni zudachte, es wäre immer noch verdammt wenig gewesen. Die Null wird eben einfach nicht größer, auch wenn man sie vervielfacht. So bekommt Daniele genau die gleiche lieblose Scheiße untergeschoben wie sein eidgenössischer Widersacher, mit dem einzigen Unterschied, dass sein "Crazy" statt auf Schmachtballaden den Fokus etwas mehr in Richtung Radio-Poprock verschiebt. Bon Jovi für noch Ärmere, wenn sich das Publikum des ZDF-Fernsehgartens bei jodelnder E-Gitarre mal ganz rebellisch fühlen will.

Die - warum nur, warum? - auch hier breit im Booklet abgedruckten Texte setzen der Lächerlichkeit erneut die schon amtlich abgenutzte Krone auf. Der Bohlen-Dauerbrenner "Baby, you are my destiny" ist wieder dabei, ansonsten die übliche lyrische Diarrhö: "Seven nights you are away / Seven nights is hard to say / How I need you more and more / And I'm knocking at your door." Sorry. Dazu fällt mir wirklich nichts mehr ein. "Love is getting stronger / I can't wait no longer." Heimatland!

Noch deutlicher als bei "My Name Is Luca" springt einem die Frechheit, mit der Bohlen ohne jede Nennung seiner dennoch wie die Springbrunnen sprudelnden Quellen seine Produktionen zusammenklaut, mit dem nackten Arsch voran ins Gesicht.

"Produced By Dieter Bohlen", soso. Stimmt: "I Like It Hot" klingt wie ein Aufguss seines Blue System-Tracks "My Bed Is Too Big", bloß mit albernem Quakeffekt auf dem Gesang. Den Refrain zu "If You're Lonely" kenne ich auch schon. Cat Stevens hat das einst unter dem Titel "Father And Son" dargeboten. "Produced by Dieter Bohlen"? Man lernt doch nie aus.

Gleich die erste Nummer "Absolutely Right" bedient sich munter beim Motown-Klassiker "I Heard It Through The Grapevine" und tönt auch sonst verteufelt vertraut. Es raunt aus der Erinnerung: "Mama, I came to the valley of the rich myself to sell. She said: Son, this is the road to hell." Wie wahr Chris Reas Mutter doch sprach!

Auf der Straße zur musikalischen Hölle schlägt sich Daniele Negroni selbst indes halbwegs wacker. Von dem mit großem Streicher-Bahnhof kaputt geschnulzten "Knockin' On Heaven's Door" einmal abgesehen: Gerade in den Cover-Versionen - Udo Lindenbergs "Cello", "Oh Johnny" von Jan Delay und allen voran Caligolas "Forgive Forget" - zeigt Daniele sonst eine respektable Karaoke-Leistung.

Wo immer er Vorbilder hat, an denen er sich orientieren kann, verfällt er nicht auf die schlechte Idee, die Rauheit, die seine Stimme aus der Masse hervorhebt, krampfhaft überzubetonen. An vielen anderen Stellen wirkt seine "Kantigkeit" reichlich aufgesetzt, geradezu verzweifelt gewollt. Schade.

Aber zurück zum eigentlichen Skandal. Verstehe ich richtig? Bohlen produziert nun also unterschiedslos den DSDS-Erst- und den Zweitplatzierten. Was kommt als nächstes? Schmuftelt er bald für jeden Top-Ten-Kandidaten einen Longplayer zusammen? Oder gleich für alle 35 Recall-Teilnehmer?

Genug Minderbemittelte, die den Rotz kaufen, laufen offensichtlich frei herum. Erst letzte Woche bescherten diese Dieter Bohlen den Deutschen Musikautorenpreis in der einzigen Kategorie, in der die Fachjury nichts dagegen ausrichten konnte - weil die Verkaufszahlen entscheiden: "Call My Name" von Pietro Lombardi war das erfolgreichste Werk des letzten Jahres. Na, danke!

Trackliste

  1. 1. Absolutely Right
  2. 2. Don't Think About Me
  3. 3. Goodnight Maria
  4. 4. Don't Leave Me
  5. 5. I Like It Hot
  6. 6. Oh Johnny
  7. 7. If You're Lonely
  8. 8. Love Is Getting Stronger
  9. 9. Forgive Forget
  10. 10. Cello
  11. 11. Terror In My Heart
  12. 12. Knockin' On Heaven's Door

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54 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    Ist doch letztendlich egal wie gleichgeschaltet "wir" (= meine Generation, ob ich dazugehör kann wohl nur ein Außenstehender beurteilen) sind, wem's gefällt, der soll's hören, wer's nicht magt liest die Rezi auf Laut.de :)
    Es ist zwar schade, dass Bands wie Iron Maiden oder Slayer oder mit was auch immer man in den 80ern/90ern aufgewachsen ist nicht mehr in solchen Maßen konsumiert werden wie in der guten alten Zeit, aber das heißt ja nicht, dass es nicht noch genug gute Bands gibt. Nur verdienen die sich eben keine goldene Nase mehr und man muss evtl. ein bisschen im Internet herumstöbern.
    Meine bescheidenene Meinung

  • Vor 12 Jahren

    Nervig und unerträglich wie der kleine Cousin.