laut.de-Biographie
Dexter Gordon
Dexter Gordon zählt zu den großen Individualisten des Jazz. Seine Geschichten hat er oftmals einsam am Tenorsaxofon vorgetragen, im Idealfall in Form einer Ballade. In Zeiten von Cool Jazz, Free Jazz oder Fusion hat er unbeirrbar am Bebop festgehalten. Als er in den frühen 60er-Jahren in den USA gute Angebote hatte, kehrte er dem Land den Rücken, um jahrelang in Europa zu leben. Seine Leistungen hat man erst anerkannt, als er in die Staaten zurückkehrte und für eine Renaissance des Bebops sorgte. Da hatte er Saxofonisten wie Sonny Rollins oder John Coltrane schon längst beeinflusst.
Dexter Gordon, der aufgrund seiner Größe von fast zwei Metern auch 'Long Tall Dexter' genannt wurde, kommt am 27. Februar 1923 als Sohn eines wohlhabenden schwarzen Artzes und einer Mutter mit madagassisch-französischen Wurzeln in Los Angeles auf die Welt. Vierzehn Jahre zuvor wurde Ben Webster geboren, der erste Tenorsaxofonist, den er je gehört hatte und zugleich eines seiner großen Vorbilder. Mit Webster hat er gemeinsam, dass er keinen Ton zu viel spielt, nie in bloße Geschwindigkeit verfällt und eine nuancierte Herangehensweise an Balladen besitzt, die auch eine gewisse Empfindsamkeit durchschimmern lässt. Auch eint die beiden eine Affinität zu Rauschmitteln.
Die Entscheidung, Jazzmusiker zu werden, fällt er jedoch mit sieben Jahren, nachdem ihn sein Vater zu einem Konzert von Duke Ellington mitnimmt. Danach lernt er erst Klarinette, später Saxofon. Bereits Anfang der 40er-Jahre musiziert er in New York mit den Großen im Jazz zusammen: mit Lionel Hampton, Louis Armstrong, Billy Eckstine, Charlie Parker. "Ich hatte das Glück, dass ich genau in dieser abenteuerlichen Zeit anfing, Musik zu machen: als aus dem Swing der Bebop wurde", fasst er später zusammen.
1946 geht er wieder zurück nach Los Angeles, um den West Coast-Sound entscheidend mitzuprägen. Er arbeitet mit Leuten wie Wardell Gray oder Teddy Edwards zusammen. Mit dem erstgenannten Musiker realisiert er das 1947er-Album "The Chase", auf dem beide einen Performance-Ritt liefern, der in den folgenden Jahren zu 'tenor battles' im Jazz führt. Mit Gray bildet der US-Amerikaner auch über längere Zeit ein dauerhaftes Team.
Anfang der 50er-Jahre bekommt er aufgrund seiner Drogensucht Probleme mit dem Gesetz. Er landet im Gefängnis und arbeitet deswegen jahrelang nicht. Erst Anfang der 60er-Jahre nimmt er seine Karriere wieder auf. Er spielt erfolgreiche Blue Note-Alben mit Mitmusikern wie Freddie Hubbard ("Doin' Alright", 1961) oder Sonny Clark ("Go!", 1962) ein. Seine Zeit in den USA ist gekommen.
Doch statt sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, emigriert er nach dem Erfolg einer Europa-Tournee 1962 nach Paris, wo er sich mit anderen exilamerikanischen Musikern zusammentut. Es entstehen legendäre Alben wie "Our Man In Paris" (1963) oder "One Flight Up" (1965), auf denen er ein schnörkellos lässiges Spiel an den Tag legt, gleichzeitig aber auch melodisch elegant bleibt, was die unaufdringliche Begleitung von Mitmusikern wie Bud Powell oder Kenny Drew nur weiter unterstreicht.
Ende der 60er-Jahre zieht er nach Dänemark, wo er Einfluss auf den europäischen Jazz nimmt. Er nimmt Platten mit Karin Krog ("Some Other Spring", 1970) oder einem Orchester um Palle Mikkelborg ("More Than You Know", 1975) auf. 1976 kehrt er in die USA zurück, als er schon kurz davor war, die dänische Staatsbürgerschaft zu beantragen.
Sein Comeback im New Yorker Village Vanguard erweist sich als Triumph und führt auch ein junges Publikum an seine Musik. Danach läuft seine Karriere mit langen Schlangen vor Clubs und Sälen blendend. Nur gesundheitlich geht es Anfang der 80er-Jahre zunehmend bergab, auch weil er wieder in die Drogensucht abrutscht. Für einen letzten großen Auftritt holt ihn der französische Regisseur Bertrand Tavernier 1985 vor die Kamera. Im Spielfilm "Round Midnight", der 1986 erscheint, spielt er einen in Anlehnung auf seine eigene Karriere in Paris gestrandeten, fiktiven Saxofonisten. Im Grunde verkörpert er in dem Film mit seiner Art, sich zu bewegen und zu sprechen sowie seiner Ausstrahlung Jazz wie kaum ein anderer Musiker.
Für diese Musik lebt er auch zu dieser Zeit noch, obwohl er seinen schlechten Gesundheitszustand kaum noch verleugnen kann: "Ja, ich bin müde. Mich interessiert überhaupt nichts mehr. Außer Musik. Ich wollte, ich könnte mich erholen. Aber wenn ich schlafe, kommen die Träume. Es geht immer irgendwie um Musik. Und ums Saxofon. Um die Sounds, die die Musik weiter treiben, immer weiter und weiter. In manchen Nächten hab ich geschuftet, gespielt, und dann ist die Nacht vorbei, ich schau mein Mundstück an, und es ist voller Blut, und ich hab nichts davon gemerkt. Mein Leben ist die Musik, meine Passion ist die Musik. Und das 24 Stunden am Tag. Verstehen Sie das?"
Lohn für so viel Herzblut erhält 'Long Tall Dexter' in Form einer Oscar-Nominierung für "Round Midnight", was für einen schwarzen amerikanischen Jazzmusiker keine Selbstverständlichkeit ist. So hat er auch über ein Jazzpublikum hinaus die Anerkennung gefunden, die er verdient hat. Er stirbt am 25. April 1990 in einem Krankenhaus in Philadelphia nach vierjährigem Kampf gegen den Kehlkopfkrebs.
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