laut.de-Kritik
"Am I Evil?" Die Antwort bleibt gleich.
Review von Emil DröllDa stehen sie nun, die vielleicht unbekanntesten Ikonen des Metal. Diamond Head waren nie Megastars, prägten aber Generationen. Insbesondere eine gewisse Band namens Metallica.
Während andere längst Geschichte sind, stehen sie 2022 wieder auf der Bühne. Zwar nicht mehr im Original-Line-up, aber immer noch mit Energie. Sänger Rasmus Bom Andersen führt inzwischen durch das Set, einzig Gitarrist Brian Tatler erinnert als letztes verbliebenes Originalmitglied an die Anfangstage.
Das Live-Album "Live And Electric" versammelt zwölf Songs von verschiedenen Stopps der UK-Tour 2022, dokumentiert mit Hochglanz-Sound, manchmal schon zu perfekt. Gleich zu Beginn: "The Prince", einer der Songs, die das Metal-Kollektiv über "Garage Inc." kennenlernte.
Diamond Head prügeln sich mit Tempo und Präzision durch das Thrash-Stück. Der Gesang ist klar, die Gitarren akkurat, vielleicht sogar etwas zu sehr. Der Sound klingt aufgeräumt und fast steril. Wo etwas mehr Schmutz und Distortion Charakter verleihen würden, herrscht Kontrolle. Trotzdem: Der Song zündet. Das Publikum ist zu hören, zumindest da, wo es dramaturgisch passt. Dass hier im Studio nachbearbeitet wurde, steht außer Frage, aber die Power bleibt.
"Bones" vom selbstbetitelten Album liefert anschließend ein ähnlich makelloses Bild. Erst mit "The Messenger" vom "Coffin Train"-Album kommt ein wenig mehr Live-Feeling auf: lebendigere Gitarren, variabler Gesang, endlich etwas Bühnenluft im Mix.
Mit "In The Heat Of The Night" (1982) dann die erste richtige Gänsehaut. Andersen interagiert mit dem Publikum, feuert zum Mitsingen an und liefert hohe Vocals mit echtem Iron Maiden-Vibe.
Es geht heavy weiter mit "Set My Soul On Fire", ehe der Debüt-Klassiker "It's Electric" losrollt. Ein verdienter Live-Favorit, der dem Albumtitel alle Ehre macht. Spätestens hier wird klar: Auch wenn nicht alles wild, roh und verschwitz klingt – das Set ist energiegeladen und gut kuratiert.
"Dead Reckoning" und "Death By Design" gehen nahtlos ineinander über, atmosphärisch dicht und dynamisch inszeniert. Und dann natürlich: "Helpless". Sechs Minuten pure Oldschool-Wucht, ein Stück, das auch 2022 noch alles niederreißt.
Das große Finale ist dann gesetzt: "Am I Evil?" – unsterblich, episch, unverzichtbar. Hier darf das Publikum endlich richtig in den Vordergrund. Man hört, wie Blackburn die Zeilen auswendig kann und man hört, wie sehr dieser Song auch heute noch als kollektives Metal-Ritual funktioniert, nicht nur mit den "Big Four".
"Live And Electric" ist keine rohe Clubaufnahme, sondern ein stilvoll produzierter Querschnitt durch Jahrzehnte Bandgeschichte. Vielleicht manchmal zu glatt, aber immer energetisch. Diamond Head beweisen damit erneut, warum sie einen festen Platz im Metal-Pantheon verdienen, und warum sie auf jeder Must-See-Liste stehen sollten, falls sie nach der für 2025 angekündigten Pause noch einmal zurückkehren.
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