laut.de-Kritik
Von der Straße direkt ins Einfamilienhaus.
Review von Dani FrommTatwaffe, Def Benski und Fader Gladiator gehörten einst in das Lager derer, denen ich wirklich gerne zuhörte. Die Firma, ehemals ein Garant für ehrliche, ungekünstelte und musikalisch solide Wertarbeit, schien allerdings über die Jahre eisern bestrebt, diesen Status - zumindest in meinen Augen - sorgfältig zu demontieren. Mit "Goldene Zeiten" ist dies nun restlos gelungen.
Übel stieß mir bereits beim letzten Album der Track "Die Eine 2005" auf, den mein üblicherweise mit recht klarem Urteilsvermögen gesegneter hochgeschätzter Kollege Gässlein in (anders kann ich mir das nicht erklären) hormoneller Verwirrung als "Liebeslyrik vom feinsten inklusive Gänsehautgarantie, ohne dabei auch nur ansatzweise peinlich oder schnulzig zu wirken" abfeierte. Bereits damals hätte ich mich schwungvoll übergeben mögen. Warum manche Menschen Talk-Shows oder eben einen öffentlich präsentierten Track als geeignete Bühne für einen Heiratsantrag betrachten, entzieht sich meinem Verständnis, tut mir leid. Offenbar fehlt mir dafür mindestens ein Pfund voyeuristische Veranlagung.
Dumm nur, dass "Goldene Zeiten" in diesem Punkt "Der Einen" noch die Krone aufsetzt. Insbesondere "Wunder" steigert den Brechreiz ins Unermessliche. Die Eine, mittlerweile ordnungsgemäß angetraute Ehefrau, ist schwanger und wirft. Meine Herren. Ich fühle mich, als sei ich in eine der allgegenwärtigen "Unser Baby"-Reality-Dokus hinein geraten, in der der Gebärenden am Ende die Kamera zwischen die Beine gehalten wird. Fehlt nur, dass wir die Amateurfilme, die der stolze Papa im Kreißsaal machte, später im Video wiederfinden. Ganz ehrlich: Ich möchte das so genau gar nicht wissen, und ich möchte auch nicht werdenden oder jungen Vätern beim Anjaulen des schwangeren Bauches ihrer Alten oder beim Übersprudeln ihrer Begeisterung für den eigenen Nachwuchs zuhören. Freut euch doch bitte in den eigenen vier Wänden über den geglückten Beitrag zur Erhaltung der Art. Ja?
Über das in seiner gezwungenen Offenheit unfassbar prüde wirkende "Es Geht Nix" breiten wir besser den Mantel des Vergessens, bevor ich vollends ausfallend werde. Als sei das nicht alles schon schlimm genug, lassen es sich die Mitglieder der Firma trotz inzwischen in Ehren erarbeiteten Bürgerlichkeit nicht nehmen, der Rap-Jugend erzählen zu wollen, wie der Hase auf der Straße läuft. Aus dem Fenster des Einfamilienhauses heraus: ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Die sich prügelnden Straßenjungs, die in "Bodyguards" heraus gekehrt werden, nehme ich den Hauptdarstellern des "Goldene Zeiten"-Movies schlicht und ergreifend nicht mehr ab. Die Art und Weise, wie in "Jung Sein" mit Lebenserfahrung und Altersweisheit gewedelt wird, trägt die wahrhaft unsympathischsten Züge des 'Werthers Echte'-Großvaters.
Die Begeisterung über die kleinen Nettigkeiten des Lebens feierten die Beginner in "Gustav Gans" wesentlich schwungvoller ab als die moralisierenden Firmenangestellten in "Glücksprinzip", auch, wenn mir hier die an eine Spieldose erinnernde Untermalung gut gefällt. Und den "Swimmingpool" teile ich dann doch lieber mit Nichtschwimmer Dendemann.
Musikalisch gibt "Goldene Zeiten" Einiges her. Mit Wucht in den Bässen geizte Daniel Sluga noch nie und fängt jetzt auch nicht damit an. Neben breitwandigem Sound beherrscht er allerdings auch die Klaviatur der leisen Töne. Die Beats können insgesamt, wie auch die technischen Fähigkeiten der Herren am Mikrofon, wenig dafür, dass mir die Lyrics den kalten Schweiß ausbrechen lassen. "Scheiß Auf Die Hookline II" begeistert mit Rockgitarrenriffs und angebracht grimmiger Vortragsattitüde. Schade nur, dass der gute Vorsatz des Titels in anderen Tracks mannigfach gebrochen wird. Ich sag' nur: "Lass Los".
Ich hätte mir von alten Recken im Geschäft etwas scharfsinnigere Analyse des Phänomens "Hip Hop" erhofft, als ein "das Ding hier funktioniert nur, wenn ihr mitmacht". Man möchte das Genre, dem man Siechtum attestiert, retten. Einen konkreten Lösungsansatz bietet die Firma aber nirgendwo. "Was Kann Ich Tun?" Alter, ich weiß es nicht. "Wenigstens Ham Wirs Versucht." Na, danke. Das Gegenteil von "gut" bleibt leider immer noch "gut gemeint".
37 Kommentare
die Review trifft es exakt auf den Punkt. Die Lyrics sind peinlich. Die Firma war früher mal gut, aber das ist Vergangenheit
Ich hör DIE FIRMA schon seit vielen Jahren. Man sollte das Album vielleicht ein wenig mehr zwiespältiger anhören und bewerten.
Nach dem ersten Hören könnte man denken, dass ihnen rein textlich die Ideen/Inspirationen ausgegangen sind.
Auf der anderen Seite könnte man wiederum denken, dass die Leute einfach glücklich sind und das auf ein Album gepackt haben. Also sind sie so gesehen sich selbst treu geblieben. Sie schrieben Geschichten die sie erlebten oder gern erlebt hätten.
Ich denke man sollte das Album ein paar Mal mehr hören und auch seine anderen 3 Ohren (die Inneren)zum Hören heranziehen. Vielleicht ist es das was DIE FIRMA letztenendes dann doch wieder ausmacht....die Sinne ansprechen....und nicht von subjektiven Kritiken leiten lassen....
Rein musikalisch ist alles wie immer spitze und somit ist negative Kritik nicht angebracht.[b:f5a1ae48a4][/b:f5a1ae48a4]
Negative Kritik ist wg diesem EINEN voellig radioueberdudelten Schmalzer "Die Eine 2005" (kotz, wuerg) schon mal so was von GAR NICHT angebracht!!! Werter Herr Rezensent von laut.de, haben Sie denn eigtl schon mal in das zugehoerige ALBUM "Krieg und Frieden" reingehoert???? Das hebt sich naemlich von diesem EINEN Lueckenfueller in seiner kompletten Gaenze meterhoch ab, und die Scheibe hat ja sogar auch hier auf laut.de 5 Sterne Wertung erhalten!!! Also BITTE demnaechst etwas mehr durchdachte, weitlaeufigere Kritik anfuegen, OK??? Damit waere uns wohl allen hier geholfen. Danke
Das Album is Fett! Ihr feiert den ganzen Bushido scheiß, obwohl der seine Texte nichmal selber schreibt. Die Firma is noch einer der wennigen Bands die derben Hip Hop machen. Die Texte vermittel das was wirklich in den Leuten vorgeht. Zu dem Fatzke der den Artikel geschrieben hat, Wunder is ein Lied was wirklich Träume aufzeigt. Ich liebe die Firma wie Torch und all die die was aussagen und nich nur "ich fick dich alder".
Ich glaube die Qualität die ihr schätzt is nur dreck. Wirkliche Qualität is realer Hip Hop von den Künstlern die das leben und nichnur Fame und Money haben wollen!
Und ihr meint ihr habt Ahnung? nen scheiß habt ihr. Jeder der Bushido oder Aggro feiert is weder Hip Hopper noch ein Mensch mit Gribs.
Peace
@Thiobor (« ... noch ein Mensch mit Gribs. »):
mtv gribs?
Die Firma mit einem schwächeren Album. Trotz wahren Perlen wie "Jung sein", "Was kann ich tun" "Wenn wir uns sehn" oder auch "Wenigsten haben`s wirs versucht" und mein persönlicher Favorit: "Die neue Welt" kommt dieses Werk nicht an den Vorgänger ran. Obwohl mir Stücke wie "Glücksürinzip" oder "Wunder" als Einzelstücke sehr gerne hören, passen sie nicht zum Album, schon gar nicht neben Texte wie "Scheiss auf die Hookline" oder "Ihr wisst wie ihr heisst". Da ist auch das Hauptproblem des Albums. Im Gegensatz zu "Krieg und Frieden", "Das dritte Auge" oder "Das sechste Kapitel" fehlt hier ein roter Faden, ein Thema, die Konstanz. Einst von der Firma fast in Perfektion präsnetiert, wird dies hier schmerzlich vermisst. Deshalb geb ich em Album 3,5/5, da ich mich aber zwischen 3 und 4 entscheiden muss, gebe ich 4/5, aber nur weil "Es geht Nix" alle Tabus bricht