laut.de-Kritik

Neuauflage eines verschollenen Zeitzeugnisses

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Lange Zeit trieb das Zweitwerk der deutschen Avantgarderock-Kombo Die Haut verschollen in den Annalen deutscher Musikgeschichte. Nun steht "Burnin' The Ice", das nach der Veröffentlichung 1983 wegen seiner geringen Auflage in England und Deutschland schnell zum raren Sammlerobjekt avancierte, wieder in den Händlerregalen. Nicht ohne Grund: Kein Geringerer als Düster-Poet Nick Cave leiht in seiner vielleicht interessantesten Schaffensperiode dem praktisch stummen Ensemble seine unvergleichliche Stimme.

Das war zu der Zeit, als Cave den ausgebrannten Trümmern der australischen Post-Punk Band The Birthday Party den Rücken kehrte, aus deren Asche später seine Backing Band The Bad Seeds empor steigen sollte. Weit entfernt von der Versuchung des Schönklangs Caves jüngerer Werke gelang es der Haut in einem kleinen, dunklen Aufnahmeraum des Berliner "Studio West", dem krächzenden Sänger sieben rohe, leidend getragene Songs auf den Leib zu schneidern.

Bedrohlich wummert der Bass, schrille Gitarrensounds sägen an den Gehörnerven des Konsumenten, während sich Caves rauer Gesang als hypnotischen Spirale in alptraumhafte Abgründe dreht. Bereits der Opener "Stow-A-Way" verkündet, dass die hier kredenzte Kost garantiert ein paar Tage schwer im Magen liegen wird. Die vertrackten Klangkonstruktionen poltern, kratzen, schaben und wühlen sich auf direktem Wege in die Gehirnwindungen.

Auch wenn Noise-Rock in den vergangenen 20 Jahren oft genug neu erfunden wurde, so kann der Hörer hier noch einmal seine ursprüngliche Essenz schmecken. "We can't stopp the monster rolling", heißt es in einer Textzeile – widersprechen sollte man lieber nicht. Die Fluchtwege sind ohnehin versperrt, wieso also nicht noch tiefer in die finstere Höhle hinabsteigen?

Martialisch, morbide und psychedelisch pulsiert "Burnin' The Ice" sich selbst verzehrend im Dunkel des Raumes und bildet nicht zuletzt ein musikhistorisches Zeugnis der kreativen Blütezeit einer Berliner Kunstszene, die es so nie wieder gegeben hat.

Nicht nur für Sammler ist die Neuauflage mit Original-Artwork, unveröffentlichtem Fotomaterial, Entstehungsgeschichte und Bonus-DVD (nur limitierte Edition) mit Live-Aufnahmen der ersten Die Haut-Tour zusammen mit der Birthday Party eine Empfehlung wert. Fans von Nick Cave oder Bands wie den Einstürzenden Neubauten (bei denen Gitarrist Jochen Arbeit heute sein Werk verrichtet) sollten unbedingt reinhören.

Trackliste

  1. 1. Stow-A-Way
  2. 2. Tokyo Express
  3. 3. Truck Love
  4. 4. The Victory
  5. 5. Pleasure Is The Boss
  6. 6. Dumb Europe
  7. 7. This Flame Will Never Die

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