laut.de-Kritik

Diagnose: Unhatebar.

Review von

Siehe da: Es gibt scheinbar doch noch Instanzen, an denen der Hustle funktioniert. Die P hat sich in den letzten fünf Jahren von einem Indierap-Geheimtipp zur letzten Bastion der Deutschrap-Monokultur gemausert. Fragt herum, selbst bei all den Leuten, die kategorisch allen aktuellen Deutschrap kacke finden, ist sie neben OG Keemo wahrscheinlich eine von zwei universell akzeptierten Ausnahmen. Und schon bei ihrer bisherigen Diskographie versteht man leicht, warum P eine Rapperin ist, auf die man sich einigen kann. Ihre Affinität zu allen Klassikern des Handwerks und ihre Persönlichkeit gepaart mit einem unleugbaren Skill machen ein beeindruckendes Gesamtpaket.

Aber dennoch: Wenn auch durchaus Highlights darunter waren, blieb mir persönlich bisher immer ein leichter Eindruck zurück, dass P das Versprechen ihres Talents bisher noch nie zur letzten Konsequenz eingelöst hat. Ihre Musik kam oft einem sehr hohen Level an Fingerübung gleich, ein stetig konstantes Cyphern und Sparring. Mir persönlich fehlte bisher dieser wirklich kohärente Body of Work, der sie in dieser Szene wirklich setzt. Dementsprechend freut mich der Eindruck, dass "Magazin" diesem eingelösten Versprechen so nah wie nie kommt.

Was bisher vor allem gefehlt hat, waren die Beats. Es ist nicht schwer, an einen guten Boom Bap-Beat zu kommen. An einen großartigen Boom Bap-Beat dagegen kommt man selten. Umso erfreulicher ist gerade auf der ersten Hälfte des Tapes, wie klanglich opulent sich die Produktion anlässt.

Das schöne an Die P ist, dass sie Oldschool nicht als nostalgische Verklärung betreibt. Das ist keine Musik, die sich als Konterpunkt zu anderen Rap-Spielarten als besonders künstlerisch wertvoll versteht. Es ist schlicht Rap, der fett klingen will, zu dem man kiffen will, dessen Bass durch die Magengrube gehen will. P könnte mit diesem Sound in das ebenfalls den Boom Bap wieder modern machende Griselda-Camp zu seinen besten Tagen gepackt werden.

Gerade dieses Intro: Das hätte auch ein Beat von Just Blaze oder von Harry Fraud sein können. Gleichermaßen reich und reduziert gibt er ein niedriges Tempo und maximale Aura für das größtmögliche Shittalken vor. "Schon als Kind hab ich gewusst, ich werd' ein Hip Hop-Star", sagt sie da. Und sie rappt so druckvoll und on point, dass einem ein Tränchen in den Augenwinkel steigen will. Präsenz wie Rick Ross auf "Devil In A New Dress".

Was darauf folgt, zeigt, dass P nicht unbedingt eine Texterin in dem Sinne ist, wie wir es uns in Deutschland oft vorstellen. Dieses Album hat wenig konventionelles Storytelling und ist erfrischend offline dahingehend, welchen Themen sie Wichtigkeit oder Unwichtigkeit zuschreibt. Es gibt sie auch wieder, die gute Menge an Fillerlines. Aber wenn sie dann auf Tracks wie "Beef Mit Cheese" ihren Flow wechselt, merkt man, dass dieses Sound-fixierte, Stimmungs-fixierte, atmosphärische Ding ihre Kunstform ist. Diese Mucke kommt über Soundbild, Stimme und Virtuosität mehr als über alles andere.

Was nicht heißt, dass es nicht ein paar freudige Überraschungen gibt. Die P ist der letzte Rapartist, von dem ich mir einen Lovesong erwartet hätte. Aber "So Nah" ist ein überraschend direkter, emotional offener und liebevoller Track; in unserem Ironie-vergifteten Deutschland schreibt kaum mehr jemand Songs über eine glückliche, funktionierende Beziehung. Aber gerade die Einfachheit, P preacht Nähe und Vertrauen und stellt dies kein bisschen in Frage, lässt den Track gerade im Kontrast zur bluesy Stimmung der anderen Tracks um so mehr strahlen.

Apropos bluesy Stimmung: Direkt danach handelt "Solange Wir" von rassistischer Polizei, dem nie erlaubten Wohlstand für ihre Vorfahren. Es ist nicht unbedingt, dass P hier Sachen erzählt, die man nicht schon einmal gehört hätte. Aber sie trägt alles mit so einer bullshitlosen, sardonischen Art vor, dass es doch wirklich sehr plastisch gerät. Ihrer Stimme haftet diese unausweichliche Realität an, um die man nicht herumkommt.

Leider wird diese quasi makellose erste Hälfte gegen Ende doch ein klein bisschen verwässert. Wo davor jeder Track purposeful und klar intendiert wirkte, bekommen wir insbesondere in den Featurenummern ein paar Momente, die wieder eher wahllos vor sich hinstromern. Stephen Jounior zum Beispiel kommt eher ziellos vorbei, um sich ein bisschen am Flow von A$AP Rockys "Praise Da Lord" zu versuchen, Die P schreitet synergielos daneben.

"Falle Hoch" ist ein emotional nicht uninteressanter Track, der aber von einer kitschigen Hook am Boden gehalten wird. Es ist nicht so, als gäbe es hier Totalausfälle - aber dafür, dass das Album sich anlässt wie ein potenzieller Klassiker zerfranst es nach hintenraus zu einer ziellosen Sammlung an Tracks.

Aber das sind an dieser Stelle nur Abzüge in der B-Note, denn bis auf Weiteres ist "Magazin" eines der pumpbarsten Deutschrap-Releases der jüngeren Vergangenheit. Die Energie bleibt konstant superhoch - und wir bekommen den bisher gelungensten Entwurf, Ps bodenständige Art in ein etwas weitergedachtes Album-Konzept zu betten. Und man kann es nicht anders sagen: Es ist einfach Hip Hop in absolut destillierter Reinform. In Zeiten, in denen die Genregrenzen unserer Musik so komplett in alle Richtungen zerflossen sind, tut es doch schlicht gut, die Basics so zelebriert zu bekommen.

Alle können sich auf die P einigen, weil das, was sie macht, im Grunde unhatebar ist. Und "Magazin" klingt, als wäre sie immer noch gerade erst am Anfang von dem, was sie noch reißen wird.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Move Your Body
  3. 3. Beef Mit Cheese
  4. 4. So nah
  5. 5. Solang Wir
  6. 6. Mach Platz
  7. 7. Alles Gut (feat. Stephen Jounior)
  8. 8. Abfuck
  9. 9. Aha (feat. Grödash)
  10. 10. Lock Dog (feat. Redwan Fyahwan)
  11. 11. Falle Hoch (feat. Simon Ngolo Zerbo)
  12. 12. Hustle Hustle

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Die P

"Wenn ich komme, machst du Platz." Die P bittet nicht um Raum im kraftstrotzenden Rap-Kosmos, sie nimmt ihn sich einfach. Ihr Debütsingle "Mach Platz" …

3 Kommentare mit einer Antwort