laut.de-Kritik
Schon morgen gehört ihnen die Welt.
Review von Rinko HeidrichIm Februar gab es beim Co-Headliner-Konzert von den krawalligen Noise-Punks von Sprints und den im Gegensatz fast schon introvertierten English Teacher eine spannende Konstellation im Hamburger Molotow zu beobachten. Die Harten gegen die Zarten, rotzige Krach-Punks gegen Musikstudenten, eigentlich perfekt für eine Neubelebung des großen Britpop-Wars von 1995, als die lauten Oasis gegen die smarten Popper von Blur antraten. Ein bisschen schade, dass die Bands an einem medien-inszenierten Streit gar kein Interesse haben und nicht nur an diesem Abend alles in Harmonie und gegenseitigem Respekt endete.
So bleiben English Teacher bisher noch ein heiß gehandelter Geheimtipp unter Musiknerds, auch wenn Gamer des Fußballspiels EA Sports FC 24 schon seit letztem Jahr Bekanntschaft mit "The World's Biggest Paving Slap" machten, einer zackigen Rock-Nummer zwischen Dream Pop-Momenten und stoischen Stakkato-Riffs. Eine schöne Ergänzung zu den immer etwas zu lakonischen Dry Cleaning und den aufgesetzt putzigen Wet Leg, von den bombastischen The Last Dinner Party ganz zu schweigen. English Teacher sind noch relativ neu in der neuen Post-Punk-Schule und nehmen gerne die Rolle des stillen Beobachters aus der Provinz ein.
Sängerin Lily Fontaine beschreibt sich in ihren Songs gerne als Außenseiterin, die nun in der Großstadt Leeds große Augen macht. Eine tatsächlich aufregende und spannende Selbstfindungsphase zwischen Aufbruch und Angst, dem Wunsch nach Erlebnis und schnellem Rückzug in die erste eigene Studenten-Bude. Am Leeds Conservatorium traf sie zum Glück ein paar Mitstreiter, mit denen sie nun langsam, aber unaufhörlich die Musikwelt weiter erobert.
Wenn also "The Worlds Biggest Slap" wie Freitagnacht-Party klingt, stellt "Albatross" konträr dazu die verträumte Pendelfahrt zurück in heimische Gefilde dar. Ein kleiner, zurückhaltender Shoegaze-Moment, ein Planet unter vielen am Himmelfirmament, so fantasiert Fountaine etwas altklug über Land-Träumereien und die kalte Realität. Dabei gehören einer jungen Band, die schon so früh so gute erwachsene und gute Songs schreibt, nun wirklich alle Sterne.
Für gewöhnlich übernehmen sich gerade junge Bands bei ihren Debüt-Alben, aber English Teacher gehen überraschend souverän mit ihrem mit Stilmitteln um. Die Jazz-Parts in "Broken Biscuits" wären bei ähnlichen Bands ein ewig langes Mucker-Outro, doch die Kids aus Leeds wissen, wann es zu viel wird. Genau an diesem Moment, den Black Midi und Black Country, New Road fast schon überstrapazieren, gehen die Londoner einen Schritt zurück. Es sind die ruhigen Momente, die auf "This Could Be Texas" in Erinnerung bleiben. Allen voran natürlich der große Outstanding-Track "Mastermind Specialism", verträumter Wunderkind-Folk wie bei Joanna Newsom oder dem vernuschelten Indie-Pop einer frühen Kate Nash. Ganz viel Gefühl - nein, nicht "Emo" - sondern etwas, was ganz tief in deinem erkalteten Herzen wieder etwas auslöst.
Alles um das Herzstück bleibt natürlich auch interessant bis spannend, aber erreicht nicht noch einmal diesen ganz speziellen Moment. Das soll aber nicht die hohe Qualität eines "Not Everyone Gets To Go To Space" schmälern. Wie dort einfach Grunge, Post-Rock und Britpop zu einer schönen Symbiose verschmelzen, ist für so eine blutjunge Band absolut erstaunlich. Auch das Glam-Pop-Stück "You Blister My Paint" ist eine fast zu souveräne Streber-Hausaufgabe im Bowie-Edelpop-Wettbewerb. Noch ist das zu viel Kopf, eine zu wissenschaftliche Arbeit in Sachen modener Popmusik. Es braucht trotzdem nicht viel Fantasie, um das riesige Potential der außergewöhnlich talentierten English Teacher zu erkennen. Noch etwas mehr Selbstbewusstsein, nicht zu viel Druck, und diesen Hochbegabten gehört schon morgen die ganze Welt.
3 Kommentare
Super Album find ich. Waren schon viele guten Ideen dabei: https://youtu.be/lht-IITPVsk?si=c2BDTo1Zbp…
so langsam werden diese hypes aus UK ermüdend. ich höre hier nice gemachten postpunk, mehr aber nicht.
Das ist musikalisch nett und die Texte sind bestimmt gut, aber wann hört endlich dieses amelidiöse monologisieren über Post-Punk-Gitarren auf. Brechen die sich was ab, wenn die sich ne Gesangsmelodie überlegen müssen.