laut.de-Kritik
Die Hoffnung stirbt sprichwörtlich zuletzt. Doch hier stirbt sie.
Review von Ulf KubankeErdmöbel machen es dem Hörer nie leicht. Daran ändert sich auch auf "Hinweise Zum Gebrauch" nichts. Handwerklich ist die Musik sauber arrangiert und produziert. Textlich zeigt sich ihr sprachliches Bemühen in etlichen Songs. Und in ethischer Hinsicht wirkt diese so sympathische wie empathische Combo stets unangreifbar. Dennoch: Alle guten Ansätze ergeben hier wenig Betörendes und viel Betuliches.
Der musikalische Teppich ist rein stilistisch betrachtet recht variabel. Am Tisch sitzt ihr gewohnter Singer/Songwriter-Duktus mit etwas federleichtem Rock und dem Fluidum abgehangener Indiepop-Atmosphäre. Recht neu ist der leichte Schubs gen Salsa und Funk ("Veloso Bar").
Dass es bei ihrem Ansatz eher ums Wohlfühlen geht, als um Ecken oder Kanten, ist nichts Neues. Hier jedoch übertreiben sie es deutlich mit dem Easy Listening-Faktor. Melodisch ist der Cocktail alles andere als packend. Hinzu kommt eine bauchladenhaft zur Schau gestellte, sedierende Entspanntheit, die qua Überdosis nicht mehr unaufgeregt wirkt, sondern längst unauffällig bis phlegmatisch. Neben dieser Biederkeit sieht sogar Adel Tawil wie ein derber Garagenrocker aus.
Im Ergebnis klingen die Tracks folglich leider nach Telefonwarteschleife, Pausenfüller und Muzak-Berieselung für lange Fahrstuhlfahrten. Das ginge als rein instrumentale Vorstellung noch für die Chill Out-Ecke mitternächtlicher Bionade-Parties klar. Die Texte Markus Bergers entziehen der Melange jedoch das letzte bisschen Charme.
Alles verharrt in 90er-Gemütlichkeit mit ihren kleinen Erste-Welt-Problemchen, belanglosen Alltagsschilderungen, sparwitzigen Pointen, oberflächlich aufgetragener Melancholie und Allerweltszeilen an Stellen, die doch so gut, so aufrüttelnd, so geistreich gemeint sind. Nach spätestens drei Liedern möchte man dringend abgeholt werden aus diesem rein nostalgischen Bälleparadies genormter Ikea-Gefühle. "Und dann schluchzt du: 'Ich hasse mein Leben!'"
Es gibt keine guten Songtexte, die Zeilen wie "obwohl ich denke, wenn" enthalten ("Tutorial"). Der Track ist eine auszehrend langatmige Kreuzung aus Monolog, Hörspiel und Lied. Am Ende gleichwohl weder Fisch noch Fleisch. Für eine Satire auf kitschige Sozpäd-Vorträge haben die Worte selbst zu viel Erdbeertee intus. Als Hommage an solche rhetorischen Zumutungen wäre der Track per se überflüssig. Was also soll das? Wer braucht das?
Der Song "Barack Obama" entpuppt sich als Möchtegern-Hommage an Al Jarreau, klingt jedoch unangenehm nach vertonter Todesanzeige. "Mit 76 Jahr'n vor Erschöpfung in ein Krankenhaus in Los Angeles. Langsam auf dem Weg der Besserung hieß es auf seiner Website. (...) Bereits gekaufte Tickets werden erstattet." Dagegen sind noch Lindenstraße-Drehbücher große Literatur.
Doch einen Pfeil haben sie noch im Köcher: Judith Holofernes als Gaststar auf "Hoffnungsmaschine". Längst hat sich die Wir Sind Helden-Chanteuse mittels zwei sehr guter Soloplatten zur Songwriterin jenseits aller Klischees entwickelt. Erdmöbel juckt das wenig.
Unerbittlich zerren sie die Berlinerin hinab in einen schlageresken Vollwaschgang blütenweißer Nichtigkeiten. "Lass die Hoffnungsmaschine laufen" trällert es zum grauen 08/15-Arrangement und der gesichtslosen Melodie. Zwar stirbt die Hoffnung sprichwörtlich zuletzt. Doch hier stirbt sie. So werden Erdmöbel am Ende zumindest ihrem Namen ("Sarg") vollends gerecht. Wenigstens ein Treffer ins Schwarze.
7 Kommentare mit 5 Antworten
Anderswo kommt das Album deutlich besser weg, etwa beim Musikexpress (4,5/6).
Die Singles klingen aber nach selbstverliebtem Pop mit sehr wenig Substanz. Tut nicht weh, will nichts, braucht niemand.
Ist wahrscheinlich wirklich nur was für Musikexpress-, Intro- und Spex-Leser, die immer noch an deutschsprachige Popmusik glauben.
aus deutschsprachigem Pop könnte etwas werden, wen die Texte nicht so kitsch triefende in schlagerseeligkeit gehüllte Betroffenheitsfloskeln wären. Die Texte sind austauschbar und behandeln immer die gleichen langweiligen Themen.
Man soll nicht aufgeben und immer an sich glauben, dann kann man alles schaffen. Ausserdem ist man nie alleine und es gibt immer jemanden der für einem da ist. Ausserdem ist kein Problem so groß das man es nicht lösen kann..denn die Liebe ist ja da..und die ...schafft alles. Falls ich eine Pladitüde vergessen haben sollte..dann soll man mir das nach sehen,
Soso, wovon handelt denn bitte englischsprachiger Pop?
"...denn die Liebe ist ja da..und die ...schafft alles."
Sangen Laibach in überzogener Form auch schon Mitte der 80er.
das Cover mit dem allseits beliebten Nobelpreisträger udn Guantanamo-Schließer ist schon völlig Panne.
Wer hört diesen fiesen Betroffenheitspop heute überhaupt noch?
alte 68er Öko- und Sozialromantikersäcke, die einfach nicht aufhören können Musik zu machen....
Ähm, der Text des Lieds "Barack Obama" IST im Original ein Nachruf in einer Zeitung gewesen. Die Vermutung stimmt, doch der Kontext fehlte dem Autoren offensichtlich, dadurch ist seine Interpretation und Kommentierung natürlich Makulatur.
Ähm, der Text des Lieds "Barack Obama" IST im Original ein Nachruf in einer Zeitung gewesen. Die Vermutung stimmt, doch der Kontext fehlte dem Autoren offensichtlich, dadurch ist seine Interpretation und Kommentierung natürlich Makulatur.
Ich denk ja immer wenn ich so einen Verriss lese: Da sitzt jemand einsam zu Hause, nicht glücklich und hört dann ein Album mit all dem Frust. Aber was weiss ich, kann ja keine Gedanken lesen. Habe gerade Ermöbel live gesehen und dabei auch Gedankenmaschine gehört. Ein Lied was Hoffnung gibt. Mehr als diese Plattenkritk. Und das Album? Ist gut, geht besser. 4 von 5