laut.de-Kritik
Mit Roots-Dub gegen GPS-Tracking.
Review von Philipp KauseDamit "Everything's gonna be alright", wie die Franzosen Faygo sich das mit einem Marley-Zitat ("Three Little Birds") in ihrem Song "Love Is Di Healing" vorstellen, appellieren sie an Liebe und Freiheit. "Liebe aus dem Herzen heilt das Hirn", so einer der Schlüsselsätze auf "Together", dem zweiten Studioalbum.
Das andere Thema, Freiheit, münzen Faygo aufs Thema Digitalisierung. Die französischen Reggae-Durchstarter fordern Unabhängigkeit von Firmen und Leuten, die uns mit moderner Technologie um den Finger wickeln wollen: "We don't want no slavery / we don't need no captivity / (...) stand up and fight for your liberty", singen Faygo in "No More Slavery (feat. Judean Kong)". Der thailändische Gast Judean Kong klingt so hoch und kämpferisch wie Professor Harrison Stafford von der kalifornischen Gruppe Groundation in deren besten Tagen.
Groundation bleiben auch eine wichtige Referenz für die Newcomer aus Nordfrankreich. Faygo wenden sich mit allerliebsten Jazz-Akzente gegen Diskriminierung und geistige Sklaverei. Mentale Versklavung - diese Gefahr verorten sie bei den IT-Unternehmen aus Staffords Heimat Kalifornien, die unsere Vorlieben und Schwächen mitloggen und auswerten. Dennoch geben viele Leute bereitwillig ihre persönlichsten Daten preisn. Irrtum, finden Faygo und betten ihre Botschaft in erlesene Roots-Dub-Konstruktionen ein.
Mit englischen Texten wollen sie international verstanden werden und nicht das Schicksal vieler talentierter französischer Rap-, Afrotrap- und Reggae-Acts teilen, die in Frankreich und der Schweiz Stars werden, während der Rest der Welt sie kaum kennt - und so nutzt man auch selbst die Sozialen Medien.
Die Smartphone-Kultur prangern Faygo dennoch an: "Du gehst nie die Straße entlang / ohne einen GPS-Tracker unter den Füßen / Du musst das Smartphone immer in deiner Tasche haben / Meine Frage ist, ob du es wirklich magst? / (...) Wenn du denkst, es sei gut, ist es schon zu spät / Alles kommt bequem immer näher zu dir / während du dich so von allen Mitmenschen entfernst". "Inna Di Train" gibt sich ganz schön dramatisch - Roots Reggae, Psychedelic Soul, Dub und ein fulminanter Salsa-Abschnitt.
In "Be Yourself" unterstreicht ein leidenschaftliches Saxophonsolo die Lebensfreude, die man erhält, befreit man sich aus der Gefangenschaft dieses Alltagstrotts. Musikalisch pflegen Faygo stellenweise das, was Bands wie Steel Pulse, Stick Figure, Slightly Stoopid, Third World und andere als rockigen Reggae seit Jahrzehnten formulieren. Nur klingen sie rhythmisch besonders elastisch, spritziger als manche US-Kollegen.
In den Dub-Versionen am Ende zahlt sich aus, vorher alles live eingespielt zu haben, etwa die Bläseraufnahmen. Noch viel mehr von dieser am Ska angelehnten, edlen Instrumentierung kommt in den langen, filigranen, jazzigen Versionen zum Vorschein: Sie versandet kein bisschen im Technoiden.
Das Sextett stammt aus Rennes in der Bretagne unweit der Atlantikküste, einer Stadt mit vielen Studenten. Hier scheint es musikalisch zu rumoren: Und das hört der ausgezehrte Roots-Fan auch, der jedes Jahr mit tausenden beliebig hinproduzierten Billig-Riddims aus Jamaika abgespeist wird.
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