laut.de-Kritik

Die Fehlfarben klingen noch immer wie damals. Nur anders.

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"Knietief im Dispo". Genial. Da fällt man erstmal selbst auf die Knie - und zwar nicht aufgrund des Mythos! Der soll ja durch die neuen Songs am Leben erhalten werden. Pardon, zerstört. Zum Teufel mit ihm. Aber die Fehlfarben waren halt dabei, als der deutsche Punk 1977 aus dem Laufstall krabbelte. 25 Jahre später sind jene Ideologie getränkten Kindertage schön mediengerecht in literarischer und musealer Form aufgearbeitet worden und die Düsseldorfer wieder dementsprechend gefragt.

Ja, die Schatten der Vergangenheit. Mit "Monarchie und Alltag" komponierten sie 1980 das "Nevermind" des deutschen Punkrock. Aber Peter Hein lebt noch. Und so muss er mit seinen alten und neuen Kollegen das tun, was Cobain erspart blieb: die Geschichte fortschreiben. Oder irgendwie vergessen machen. Die Kraft dazu hat er, schließlich mutiert der Sänger nur alle zehn Jahre zum Rockstar, dazwischen sitzt er brav am Schreibtisch eines IT-Unternehmens. Trotzdem sind die Fehlfarben heute im Dispo, vielmehr unser Land. Daran lässt Hein keinen Zweifel. Die Wut im Bauch artikuliert sich fulminant wie lange nicht über seine Stimme in Verbindung mit Thomas Schwebels aggressiven Gitarren.

Und die rotzen endlich wieder. "Rhein in Flammen" ist nichts weniger als eine brennende Hymne und man fragt sich, wieviele psychedelische Biere Hein wohl vor den Proben gekippt hat. Die großmäulige Slogan-Maschine läuft auf Hochtouren und die Band rockt modern und gewaltig. Verweise auf die eigene Jugend kann Hein dabei nicht ganz auslassen: "Die Dealer fahrn jetzt Straßenbahn", brüllt er und "Musik will niemand hörn, nur noch sehn". Die Flucht in verklärte Nostalgie ist seine Sache aber nicht.

Die Welt ist heute eben immer noch scheiße, also muss das so gesagt werden, wenn auch verklausuliert in Hein-typischen Zitattext-Schablonen. Das letzte Gefecht der "Internationale" endet so in einem Lovestory-Refrain aus der Heart-Shaped Box. Dem wahnwitzigen Hochkaräter-Start folgt die Radio-Single "Club der schönen Mütter" mit Saxophon im Refrain. Experimentell und nicht leicht verdaulich geraten "Der Fremde" und "Was der Himmel verbietet", in denen Hein über Pyrolators Elektronik und knarzend-krachenden Gitarren eine Art Spoken Word-Performance abliefert, die seltsam penetrant wirkt.

Das ähnlich aufgebaute "Das Leben zum Buch" mit Wah Wah-Gitarren zählt dagegen zu den ruhigen Highlights, vielleicht weil Hein diesmal eher flüstert. In "(Geh) du ran du ran" rockt sich die Band wieder in Schwung, um mit der Pop-Granate "Die kleine Geldwäscherei" und dem Stolper-Handclap-Beat "Sieh nie nach vorn" erneut eine Hymne zum Abschied zu kredenzen. Die Fehlfarben 2002 trauen sich was, haben zeitgenössische Musik gehört, ihren eigenen Klang-Horizont erweitert und klingen dabei doch hundertprozentig eigen. Also eigentlich wie damals. Nur anders.

Trackliste

  1. 1. Rhein In Flammen
  2. 2. Die Internationale
  3. 3. Club Der Schönen Mütter
  4. 4. Der Fremde
  5. 5. Schnöselmaschine
  6. 6. Was Der Himmel Verbietet
  7. 7. (Geh) Du Ran Du Ran
  8. 8. Reiselust
  9. 9. Das Leben Zum Buch
  10. 10. Die Kleine Geldwäscherei
  11. 11. Herzen Gelandet
  12. 12. Sieh Nie Nach Vorn

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