laut.de-Kritik

"Es ist geil, ein Alman zu sein!"

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Was ist deutsch? Insbesondere in Wahlkampfzeiten mündet diese Fragestellung in allerlei abstruse Diskussionen. Im Mai legt Innenminister Thomas de Maizière einen zum Teil fragwürdigen Zehn-Punkte-Plan zur Leitkultur vor. Nachdem die Staatsministerin Aydan Özoğuz jüngst die Existenz einer "spezifisch deutschen Kultur" abstritt, äußerte AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland umgehend den Wunsch, die Frau nicht nur des Amtes, sondern gleich des Landes zu verweisen, um sie in Anatolien zu "entsorgen". Puh, höchste Zeit die Gewissensfrage nach der nationalen Identität etwas zu entkrampfen. Mit dem "Alman Tape" geht Felix Krull nun diesen Schritt und bricht das Deutschtum auf sieben, nicht immer ganz ernst gemeinte Thesen herunter.

Da wäre zunächst das "Bier", das "Alman-Thema Nummer eins". Felix Krull huldigt dem kühlen Blonden "unter'm Schirm in der Sonne". Produzent Nuro unterlegt den Song mit einem charmant poppigen Beat, der sommerlichen Flair versprüht. Eine ähnlich warme Atmosphäre verbreitet auch die zweite Videosingle "Grillen". Felix Krull gibt den Grillmeister ("Ein echter Mann auch in Schürze") und persifliert gleichzeitig den deutschen Hang, den Garprozess zur Wissenschaft zu erheben: "Ich kreiere, Bitch, ich grille nicht." Angelina Scheele verweist im sinnlichen Refrain auf das erotische Verhältnis des gemeinen Germanen zum Grillen: "Frauen schrein, wenn er Steak macht, stöhnen und drehn ab – es ist so guuut."

In "Konny Reimann" zelebriert Krull die Selfmade-Mentalität des gleichnamigen Auswanderers. Nuro zimmert dazu eine Trap-Unterlage, die der Rapper nutzt, um den omnipräsenten Trend zu bedienen und gleichzeitig zu karikieren. Nach dem Motto: Wenn sich Chakuza und Bizzy Montana als Mahmud Ahmadinedschad ausgeben und sich Kurdo als Josef Stalin tituliert, nimmt Krull halt die Rolle des Doku-Soap-Stars mit Schnäuzer und Cowboyhut ein.

Eine gänzlich andere Richtung schlägt "Campingplatz" ein. Angelehnt an die Satire "Man Spricht Deutsch" mit Gerhard Polt schildert Felix Krull das spießbürgerliche Gebaren auf selbigem. Während der Refrain in Richtung Daft Punk schielt, erinnert Krulls weiche und hoch betonte Stimme zuweilen an DCVDNS' "Pimp Yannic".

Eine weitere Parallele zum ehemaligen Pullunder-Rapper zeigt sich im Umgang mit Querverweisen auf Szene-Kollegen. Der zum Teil etwas steife, gutbürgerliche Auftritt beider täuscht nicht darüber hinweg, dass sie mit beiden Beinen im Genre verwurzelt sind. Felix Krull lässt die Zitate den Mittelstandsfilter passieren und erweist somit von Haftbefehl ("Wenn nicht mit Rap, mit was dann? Ich hab' keine Pumpgun, Diggi, ich bin Alman") über Massiv ("Ich bin ein Prototyp Alman") bis Snoop Dogg und Pharrell ("Es ist wie Musik, wenn die Bottle wieder poppt, Bottle wieder poppt, Bottle wieder poppt") seine Ehrerbietung.

Andere Anspielungen geraten dagegen weniger geschmackssicher. Für "Alman" zitiert Felix Krull den Nominator aus Big Brother und dessen musikalischen Totalausfall "Es Ist Geil, Ein Arschloch Zu Sein" ("Es ist geil, ein Alman zu sein!"). Damit treibt er zwar den Trashfaktor massiv in die Höhe, liefert aber auch einen heißen Anwärter, um Oliver Pochers abgeschmacktes "Schwarz Und Weiß" endlich aus den Fußball-Stadien zu verdrängen. Zu schade, dass dieses Jahr weder eine WM noch eine EM stattfindet.

Inhaltlich würdigt Krull auf dem Titelsong von den Sport-Stars bis Studenten, von Erfindern bis Einwanderern breitgefächert alle 80 Millionen Deutschen. Selbst den Trümmerfrauen der Nachkriegszeit widmet er einige Zeilen. Obwohl der Beitrag damit an die Werbekampagne 'Du Bist Deutschland' erinnert, erscheint der integrative Ansatz insbesondere dieser Tage lobenswert: "Wenn du gern' deutsch wärst, lade ich dich hiermit dazu ein." Schade nur, dass das deutsche Loblied in einer klebrigen, gänzlich unironisch daher kommenden Wahlempfehlung kulminiert: "All meine Almans sollten langsam merken, wir sind eifrig am machen und werken. Scheiß' mal auf die kranken Schergen. Ich sage, danke Merkel!"

Diese konservative Grundhaltung setzt sich auch im abschließenden "Trachtenjanker" fort. So lädt der Refrain im Schunkel-Rhythmus zum bierseligen Mitsingen ein: "Und alles wird gut, alles wird gut, alles wird gut, glaub' mir, alles wird gut." Trotz eingestreuter Rio-Reiser-Referenz ("Mach' kaputt, was dich kaputt macht") bewegt sich Krull damit auf Kanzlerinnen-Kurs und ihrer erprobten Wahlkampfstrategie der asymmetrischen Demobilisierung. An derartiger Einlullung erfreut sich zur fortgeschrittenen Stunde mit Sicherheit auch der CSU-Vorstand im Oktoberfestzelt. So gesehen kommt es eventuell doch noch zur Einigung in der Leitkultur-Debatte.

Trackliste

  1. 1. Bier
  2. 2. Konny Reimann
  3. 3. Campingplatz
  4. 4. Beamer
  5. 5. Grillen
  6. 6. Alman
  7. 7. Trachtenjanker

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