laut.de-Kritik
Don't Call It A Comeback!
Review von Julius StabenowIrgendwie warten wir im Jahr 2024 noch immer auf wirklich gute gealterte Rapper und Rapperinnen der ersten und zweiten Deutschrap-Generation, die weiterhin (kommerziell) relevante Musik machen, ohne hängengeblieben zu wirken oder sich komplett an den Mainstream verkauft zu haben. Den deutschen Nas, wenn man so will. Spoiler: Ferris MC ist es leider nicht. Dabei bringt der Hamburger eine Menge Attribute mit, die ihn schon immer einzigartig und zeitlos gemacht haben: Eine wiedererkennbare Stimme, eine besondere Geschichte und eine Menge Identifikationspotenzial für alle Außenseiter und selbsternannten Freaks da draußen. Nur weiß er diese markanten Merkmale seiner Anfangstage nicht mehr für sich zu nutzen. Nicht nur der Name "Mortal Comeback" hätte genau so besser in die Zeit vor 20 Jahren gepasst, auch die Songs hätten genauso vor 20 Jahren rauskommen können und es wäre fast niemandem aufgefallen.
Es beginnt damit, dass der Albumtitel einfach dreist lügt, wenn von einem Comeback die Rede ist – Ferris hat in den letzten neun Jahren insgesamt sechs Soloalben veröffentlicht und war von 2008 – 2018 Mitglied von Deichkind. Dazu kommen die ewigen Themen, die ihn schon immer begleiten und auch auf dieser Platte ausführlich behandelt werden: Seine schwierige Kindheit, sein übermäßiger Drogenkonsum, sein Außenseitertum, seine gescheiterte Karriere, sein verkanntes Talent, seine nichtgenutzten Chancen und seine geliebte Wahlheimat Hamburg. Nur eben teilweise aus der Retrospektive. Paradoxerweise schießt er sich wie ein alter Mann auf eine verlorene und desillusionierte Generation TikTok ein, zu der er eigentlich eine Menge Gemeinsamkeiten mit seinem jungen Ich feststellen dürfte.
Im Gegensatz zu seinen Hochzeiten wird der 50-Jährige selten konkret und verliert sich schnell in abgestandenen Phrasen und Floskeln. Besonders deutlich wird das auf dem Song "28325", der seiner Heimat Bremen-Tenever gewidmet ist, eine bekannte Hochhaussiedlung der Hansestadt. Was ein sehr persönlicher Rückblick werden sollte, verkommt zu einer Ansammlung an allgemeinen Beschreibungen der widrigen Lebensumstände im sozialen Brennpunkt, wie sie im Deutschrap schon hundertmal über jedes bekannte Großstadtghetto erzählt wurde.
Die Sympathie für den ewigen Outlaw verfliegt schnell, viele Parts klingen eher weinerlich als kämpferisch. Wirklich spannend wird es nur, wenn Ferris einen Einblick in sein aktuelles Leben zulässt. So erfahren wir, dass er sich vegan ernährt und die berauschenden Substanzen hinter sich gelassen hat, wobei ihm ein Entzug und eine Therapie geholfen haben. Wir erfahren, dass das Reimemonster inzwischen glücklich verheiratet und stolzer Vater von zwei Kindern ist. Solche greifbaren Momente scheinen auf einzelnen Lines immer wieder durch und deuten das Potenzial an, das mit etwas mehr Mut im Album gesteckt hätte.
Als große Ausnahme sticht "Audiobiographie x Legacy" heraus, eine unpeinlicher und tiefblickender Abriss seines bisherigen Werdegangs mit jeder Menge Deutschrap-Referenzen und einer catchy Hook. Dazu kommt das emotionale "Trauma", auf dem Ferris den Suizid eines guten Freundes verarbeitet. In diese Richtung hätte ich mir mehr gewünscht. Doch anstatt mutig zu sein und andere Facetten seiner musikalischen Persönlichkeit zu präsentieren, bleibt Ferris größtenteils im Rage Modus mit rauer, klagender Stimme und wütenden Beats – wie er es als Solokünstler in den 00er Jahren etabliert und kultiviert hat. Als Teil von Deichkind war das eine logische Weiterentwicklung seiner Karriere, als Soloartist reicht das leider nicht aus. Vor allem, wenn sein turbulentes Leben einer seiner wichtigsten Aufhänger ist. Für Nostalgiker ist das ein wunderbarer Rückblick in alte Zeiten, alle anderen wenden sich doch besser wieder den Klassikern zu, die seine Diskografie ohne Zweifel hat. Trotzdem bleiben genügend positive Anknüpfungspunkte, auf die sich für das nächste Release aufbauen lässt.
7 Kommentare mit 19 Antworten
"... den Suizid eines guten Freundes verarbeitet. In diese Richtung hätte ich mir mehr gewünscht."
Ist aber auch i(rgend)wie gemein.
hahahahah
Das ist nicht nur irgendwie gemein, sondern hochgradig geschmacklos. Jeder entscheidet selbst, wie viel er preisgibt oder preisgeben möchte, aber der Konsument fühlt sich natürlich wieder wichtiger.
Selbstverständlich ist es die Pflicht jeder kunstschaffenden Person, komplexe Emotionen wie Schmerz, Trauer, Reue etc. in ihrer Kunst zu verarbeiten.
"Jeder entscheidet selbst, wie viel er preisgibt oder preisgeben möchte"
Darum geht's doch gar nicht. Lies doch mal die Rezi.
"Anstatt mutig zu sein und andere Facetten seiner musikalischen Persönlichkeit zu präsentieren, bleibt Ferris größtenteils im Rage Modus." - Es wird also emotionale Einseitigkeit bemängelt. Ist doch vollkommen berechtigte Kritik.
Darum geht's auch nicht. Ferris selbst entscheidet, welchen emotionalen Bezugspunkt er wie stark wählt. Man kann dann natürlich kritisieren, dass er zu häufig im Rage-Modus verweilt, aber ihm dann indirekt vorzuwerfen, er spräche dabei nicht genügend über den Suizid eines guten Freundes, halte ich für hochgradig geschmacklos. Es gäbe auch genügend Graustufen dazwischen, auf die man pochen könnte.
"aber ihm dann indirekt vorzuwerfen, er spräche dabei nicht genügend über den Suizid eines guten Freundes"
War so nicht gemeint, es ist lediglich von "anderen Facetten seiner musikalischen Persönlichkeit" die Rede, um dieselbe Stelle nochmal zu zitieren, die du immer noch nicht verstanden hast.
Einfache Reime aber auf der anderen Seite erwachsenen Rap. Hall of Fame und Ferris allein Zuhause ist mein Type. Die deepen Songs gehen auch klar. Schwierig, die im Ausland sind richtige Freaks, wenn es um Musik geht. Da fühlt sich die Musik wie ein Rausch an.
"Den deutschen Nas"
Ich nominiere Lakmann One.
+1
Aber ist "Gottes Werk" wirklich so gut, dass es als das deutsche Illmatic durchgeht?
Das ist ja nicht Lakman Solo. Außerdem ist er vor allem deshalb der deutsche Nas, weil er unglaublich gut rappt, aber ständig schlechte Beats hat.
Danach ist bis auf Keemo und die Pfeiffen, die Torky um sich schart jeder deutsche Rapper Nas.
Aber Lakman auf Torky Tork Beats. Make it happen, Caps!
Erledigt -> https://www.youtube.com/watch?v=nGB7aLykcnQ
Ansonsten müsst ihr halt mit dem nächstbesten Vorlieb nehmen -> https://www.youtube.com/watch?v=q94mQFMOubw
Ich mag den.
Gehts in Trauma nicht um den selben Typen wie in ''Zur Erinnerung''? Wenn ja dann zeigen allein die beiden Songs den Verfall des lieben Ferris. Während ''Zur Erinnerung'' noch ehrlich wie ein Song wirkt mit dem jemand etwas verarbeiten möchte ist ''Trauma'' auf Radio zugeschnitten und schlicht Kommerz. Ferris ist einfach nur noch peinlich, spätestens seit ''Glück ohne Scherben''....Mmn
Ähnliche Gedanken hatte ich auch.
Ich nicht.
Peinlich bist du!
Ich liebe das Album. Erinnert mich an alte Zeiten!
Danke Ferris!