laut.de-Kritik

Immer weiter auf den Kopf, bitte.

Review von

Franz Ferdinand verteilen "Hits To The Head" mit ihrer Best-Of, und dazu zwei neue Singles. Schon beim ersten Blick auf die Tracklist wippt der Fuß leicht unterm Schreibtisch. Die Frage ist nicht, ob das gut wird, die Frage ist, ob "Hits To The Head" entblößt, wie anders (schlechter? gar besser?) Franz Ferdinand nach dem Abschied von Co-Bandleader Nick McCarthy 2016 wurden - eine Frage, die sich wegen des jüngsten Abgangs von Bassist Paul Thompson und dem Zugang von Schlagzeugerin Audrey Tait und Gitarrist Dino Bardot (noch ohne Albummitwirkung) und Keyboarder/ Gitarrist Julian Corrie (bei "Always Ascending" mitwirkend) 2022 eigentlich gleich noch mal stellt. Umso interessanter also, sich die Zusammenstellung und die neuen Songs zu Gemüte zu führen. Denn der Erstling "Franz Ferdinand" ist schon eine ganze Weile her, nicht alles aus der Zeit alterte so gut wie "Silent Alarm".

"Franz Ferdinand" allerdings schon, das wird schnell deutlich. "Take Me Out" hat nach wie vor einen der besten Anfänge der Popgeschichte, "Michael" und "This Fire" phantasieren den stets vergeblichen Traum der Indiedisco noch einmal greifbar, "Dark Of The Matinée" ist genau so verschroben wie die eigene verschwommene Erinnerung daran. "Darts Of Pleasure" hat als erste Single der Band ihre natürliche Existenzberechtigung auf dieser Scheibe. Das kommt alles nicht ohne Preis, denn nun sind ein Viertel der Songs schon vergeben. "Come On Home" fehlt schmerzlich, "Cheating On You" macht genau das durch sein Fehlen, aber was sollte man von diesem Debüt überhaupt weglassen? Die einzige Problematik von "Hits To The Head" steht damit schon fest: Wohin mit all den Hits?

Es ist bösartig, "Evil And A Heathen" vom Zweitwerk auszusparen, "You're The Reason I'm Leaving" wäre nach wie vor der beste Grund, jemanden zu verlassen. Und diese beiden sind den vertretenen, immer noch hervorragenden Songs "Outsiders" und "The Fallen (HTTH Edit)" tatsächlich weit überlegen. "Do You Want To" und "Walk Away (HTTH Edit)" sind unverzichtbar, letzterer Song ist in der vorliegenden Bearbeitung besser ausproduziert und etwas reicher im Volumen. Eine reine Verbesserung also, wohingegen "The Fallen (HTTH Edit)" nicht profitiert, stattdessen gedrängt wirkt und dumpfer als das Original.

Es folgt "Tonight: Franz Ferdinand" mit dem Überhit "Ulysses", hinter dem sich außer "Take Me Out" aber sowieso jeder Song des Albums verstecken muss. "Lucid Dreams" und "No You Girls" machen den wahnsinnig starken und zu kurzen Reigen von "Tonight", ein Album mit einigen mediokren Songs, perfekt. Schweren Herzens muss der Hörer auf "Bite Hard" und "Live Alone" verzichten.

"Right Action" dagegen ist heute noch genauso egal wie zur Veröffentlichung von "Right Thoughts, Right Words, Right Action". Von diesem durchaus gelungenen Album nehmen die Schotten aus nur ihnen ersichtlichen Gründen einfach die ersten vier Songs des Albums in genau der Reihenfolge. Es folgt also das okaye "Evil Eye" und mit dem stellenweise faden, im Grundgerüst aber immer noch guten "Love Illumination" der relative Tiefpunkt des Albums. Nur "Stand On The Horizon" betreibt Ehrenrettung und hält das Best-Of-Niveau mühelos. Der Verzicht auf "Fresh Strawberries" und "Bullet" ist nur durch völlige Verblendung der Entscheidungsträger zu erklären.

Dann beginnt die Post-McCarthy-Ära, und Alex Kapranos setzt seinen Kopf ungezügelt durch. "Always Ascending" ist das Ergebnis, ein Dance-Clash-Bastard, der mit dem Titeltrack gleich mal einen der besten Opener überhaupt ("but you let her down") raushaut. Immer noch Wahnsinn. "Glimpse Of Love" ist ein herausragender Song, aber was hätte dieses Album bei all seinen Schwächen noch zu bieten gehabt! Man denke nur an "Feel The Love Go", einer der kältesten, abartigsten Songs überhaupt. Als wäre Antony Hegarty anno 2008 von einem Vampir gebissen worden. "Finally", der laszivste Song der Band, "Paper Cages", dieses schraubende Ding, das sich zum perfekten Popsong entwickelt. Aber nein, kein weiterer Vertreter des jüngsten Albums der Band wurde zugelassen.

Stattdessen beschließen die beiden neuen Singles das Best-Of. Neue Songs auf eine Best-Of zu packen verrät einiges über die eigene Chuzpe oder die ironische Distanz zum Konzept einer Kompilation. Die wie auf "Always Ascending" von Kapranos allein geschriebenen Songs geraten zwiespältig: "Curios" ist nicht nur völlig in Ordnung, der leicht hysterische Gesang des Bandleaders trägt den Song deutlich in die sehr gute Riege, zumal sich das Ergebnis gleichzeitig nach Franz Ferdinand und sehr neu anhört. "Billy Goodbye" dagegen ist zwar gelungen, wäre auf allen Alben aber nicht mehr als ein Filler gewesen mit seiner etwas billigen Refrain-Klimperei und dem einfallslosen Gitarrenspiel.

Bei "Hits To The Head" kann man sich nur an den Kopf fassen: Was ist da liegengelassen worden von diesen Schotten! Und was haben die für eine Diskographie, dass das teils hundsmiserabel ausgewählte Ergebnis quasi durchgehend herausragend ist. "Hits To The Head" ist eine eindrucksvolle Machtdemonstration des Genies Alex Kapranos, der über zwei Jahrzehnte den Pop erst maßgeblich beeinflusst und ihn dann gelebt hat. Schade, dass er der von ihm allein verantworteten Bandphase nicht mehr Platz einräumt.

Trackliste

  1. 1. Darts Of Pleasure
  2. 2. Take Me Out
  3. 3. The Dark Of The Matinee
  4. 4. Michael
  5. 5. This Fire
  6. 6. Do You Want To
  7. 7. Walk Away (HTTH Edit)
  8. 8. The Fallen (HTTH Edit)
  9. 9. Outsiders
  10. 10. Lucid Dreams
  11. 11. Ulysses
  12. 12. No You Girls
  13. 13. Right Action
  14. 14. Evil Eye
  15. 15. Love Illumination
  16. 16. Stand On The Horizon
  17. 17. Always Ascending
  18. 18. Glimpse Of Love
  19. 19. Curious
  20. 20. Billy Goodbye

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