Porträt

laut.de-Biographie

Future Rock

Neben Heidelberg, Stuttgart, Hamburg und Frankfurt wird Köln als Ur-Brutstätte für deutschsprachigen Hip Hop hartnäckig unterschätzt. Dabei entstammt die erste deutsche Produktion dieses Genres, der das Erreichen internationaler Standards attestiert wird, tatsächlich aus Köln. Die Domstadt war zudem Sitz des ersten einheimischen Hip Hop-Labels. Beim Blick auf die Geschichte von Blitz Vinyl stolpert man zwangsläufig über ein Brüderpaar: Neben Detlef (aka Rick Ski) zählt Michael Rick alias Future Rock zu Deutschlands Hip Hop-Pionieren. Als Rapper, DJ und vor allem als Produzent ist er seit zwei Jahrzehnten mit von der Partie.

Future Rock - Dynamite Aktuelles Album
Future Rock Dynamite
Elektrodiscofunk von einem Hip Hop-Pionier.

Infiziert von der Rap-Welle aus den USA, die mit Filmen wie "Wild Style" und "Beat Street" auch Deutschland erreicht, beginnen die Gebrüder Rick Mitte der 80er Jahre mit eigenen Soundexperimenten: Sie gründen mit DJ Defcon und Ko Lute die Formation LSD (Legally Spread Dope) und nehmen erste Demobänder auf. In dieser Zeit eignet sich Michael die Grundlagen seines Handwerks an: Er mixt, samplet und produziert. Im Sommer 1989 (in deutschen Hip Hop-Maßstäben eigentlich noch vor der Stunde null) veröffentlichen LSD ihre erste EP beim unabhängigen Kölner Label Rhythm Attack. Kritiker sprechen bei "Competent" von der bisher einzigen deutschen Produktion, die im internationalen (in diesem Fall: amerikanischen) Vergleich besteht.

Im Jahr 1990 lernt Michael bei einem Konzert den Kölner Rapper und Produzenten Fader Gladiator kennen. Später soll er mit der Firma und als Solo-Künstler zu Ruhm gelangen; momentan ist er mit seiner dreiköpfigen Crew C.U.S. (Controversial Unique Style) unterwegs. Es entsteht eine enge Freundschaft verbunden mit einer lange währenden Zusammenarbeit. LSD lassen 1991 mit "Watch Out for The Third Rail" ein Album folgen, das besonders aufgrund seiner durchdachten und technisch hervorragenden Produktion weithin positive Resonanz erfährt. Noch im selben Jahr erscheint mit "I Don't Care A Rap" eine weitere LSD-EP, des weiteren sind sie auf dem Sampler "Krauts With Attitude" vertreten.

Ebenfalls 1991 haben Future Rock und Fader Gladiator die Nase voll: Da sich der Versuch, existierende Plattenfirmen vom Potenzial deutschsprachiger Raps zu überzeugen, als ausgesprochen mühsam erweist, gründen sie (gemeinsam mit Bruder Rick Ski und Robert Möller aka D-Tex Law) ihr eigenes Label: Blitz Records (später: Blitz Vinyl). Gemeinsam mit dem dazugehörigen Tonstudio Blitzlabor bildet das Label die ersten Anlaufstelle für Rap "made in Germany".

1992 trennen sich LSD. DJ Defcon und Ko Lute wollen ohne die Rick-Brüder unter gleichem Namen fortfahren und veröffentlichen auf einem Underground Explotion-Sampler "Von Zeile Zu Zeile". Rick Ski und Future Rock halten mit "Ohne Warnung", dem wohl ersten Diss-Track in deutscher Sprache, dagegen. "Ohne Warnung" erscheint 1992 auf der EP "Blitz Mob", Defcon und Ko Lute firmieren künftig als LSD Proton.

Fader Gladiator und Future Rock reisen gemeinsam nach New York und kommen dort mit dem Brooklyner Rapper King Grand in Kontakt. Gemeinsam nehmen sie das zweite KAOS-Album ("International Dope Dealers") auf, das 1993 auf Blitz Vinyl erscheint. Neben diversen kleineren Produktionen entsteht mit James Browns Saxophonisten Maceo Parker "Keep Your Soul Together" (Fred Wesley und Pee Wee Ellis, ebenfalls aus den Reihen der JBs, sind auch beteiligt).

Unter dem Dach "Blitz Mob" treffen sich neben LSD und C.U.S. dem Äi-Team, Torch, STF und Storm auch ausländische Acts: KAOS (USA), First Down (UK) und Sebastian Greenberg (SBG, Frankreich) sind an Bord und machen den Blitz Mob zum ersten wirklich internationalen Rap-Projekt. Einer EP (besagter "Blitz Mob" von 1992) folgen deutschlandweite Touren zusammen mit den britischen Rap-Acts Gunshot und Hijack sowie Tim Dog aus den Vereinigten Staaten. Die Akzeptanz für deutschsprachige Raps ist zu dieser Zeit noch recht gering; vom Publikum dafür ausgebuht zu werden, war um 1993/94 durchaus im Rahmen des Üblichen.

1995 folgt der bedeutendste Blitz Vinyl-Release: Das Album "Die Organisation", an dem 25 Acts aus vier Nationen (unter anderem LSD, Torch, STF, Boulevard Bou und KAOS) mitwirken, enthält mit einer Dauer von über 18 Minuten einen der längsten deutschen Rap-Tracks, außerdem mit "Der Eigene Weg" Future Rocks erstes Solo-Stück. Der Beitrag von LSD ("Meister Der Metrik") besticht durch einen für seine Zeit höchst ungewöhnlichen Jazz-Groove. Im Sommer 1995 gibt Future Rock die Arbeit für Blitz Vinyl auf, um sich fortan verstärkt seiner Tätigkeit als Produzent zu widmen. Für Blitz Vinyl folgt 1996 das finanzielle Aus; Fader Gladiator und Future Rock betreiben jedoch weiterhin das Blitzlabor.

Future Rock produziert in den folgenden Jahren unter dem Titel "Beat Bombs" eine Reihe von Instrumentalalben. Gemeinsam mit Fader Gladiator remixt er (neben unzähligen anderen) Tracks der Fantastischen Vier und Advanced Chemistry. Im Herbst 1996 schließt sich Future Rock mit MC Stefan Teubler aka Prof. Te zu Creme de la Creme zusammen. Es gelingt ihm, für dieses Projekt einen Vertrag mit EMI an Land zu ziehen - was diese nicht bereut haben dürften: Creme de la Creme landen im Frühjahr 1998 mit "Letzte Nacht" einen Hit. Von der zuvor erschienenen EP "Bitte Hau Mich Nicht" durfte lediglich die erste Auflage verkauft werden, da sich ein Frankfurter Kollege durch Single und Cover ... hmmm ... "gestört" fühlt.

Das fällige Album von Creme de la Creme folgt 1999. "Porno Funk" vereint komplex arrangierte Anleihen aus Easy Listening, Jazz-Rock, Sixties Beat, Elektropop und (wie der Titel vermuten lässt) Funk. Unter den Mitwirkenden finden sich Torch, die Firma, STF sowie der sizilianische Rapper Gianni.

Future Rock bleibt als Produzent und Remixer gefragt, wie unter anderem sein Compilation-Album "Produced By Future Rock" von 1998 beweist: Enthalten sind Tracks von (wieder mal) Torch, der Firma, den Fantastischen Vieren und Daddy Rings. Future Rock remixt Gentleman und Jack Radics, und ist in den Jahren 2000 bis 2003 an der Produktion der Alben von Gianni, der Firma und Fader Gladiator beteiligt, um nur einige zu nennen. Auf seiner Best-of-Compilation von 2001 präsentiert Future Rock einen Querschnitt seines Schaffens von 1989 bis 2000.

2005 arbeitet Future Rock an "Die Vierte Schiene", einem neuen LSD-Album, dessen Veröffentlichung für das folgende Jahr angesetzt wird. Zuvor erscheint im Herbst 2005 das Elektro-Disco-Funk-Album "Dynamite". Auf dem Line Up der Releaseparty Anfang Oktober im Rahmen der Kölner "Knights of the Turntables"-Party stehen Bruder Rick Ski, der alte Weggenosse Fader Gladiator sowie DJ Haitian Star. Haitian ... wer? Na, Torch!

Alben

Future Rock - Dynamite: Album-Cover
  • Leserwertung: Punkt
  • Redaktionswertung: 3 Punkte

2005 Dynamite

Kritik von Dani Fromm

Elektrodiscofunk von einem Hip Hop-Pionier. (0 Kommentare)

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