laut.de-Kritik
Auf Spurensuche in den Blues-Katakomben.
Review von Yan VogelUngehört und unveröffentlicht ist mit Blick auf Musik selten ein Qualitätskriterium. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Eine solche erscheint mit der Raritäten-Sammlung "How Blue Can You Get" anlässlich des zehnten Todestags des irischen Ausnahmegitarristen Gary Moore. Bereits die von Bob Daisley (Ozzy Osbourne) kuratierte Verbeugung vor Moores Schaffen "Moore Blues For Gary" überzeugte. So ergibt die Nachlassverwaltung Sinn.
Das Album startet mit einer Aufnahme von Freddie Kings "I'm Tore Down". Dieser Live-Favorit von Moore dreht mehrere solistische Schleifen und transportiert in mitreißender Manier die Konzert-Energie. Die Version von Memphis Slims "Steppin Out" erscheint auf dieser Aufnahme zum ersten Mal und geht als knackiges Instrumental durch. "Done Some Wrong" von Elmore James ist ein weiteres Cover-Stück, das als Evergreen bereits einmal um die Welt gegangen ist.
Die sieben-minütige Version von B.B. Kings 1964er "How Blue Can You Get" steht Pate für den Albumtitel. "Love Can Make A Fool Of You" befindet sich bereits auf der 82'-Veröffentlichung "Corridors Of Power". Die hiesige Version fällt erheblich puristischer aus, als die mit reichlich Achtziger-Patina versehene Ausgangsvariante.
"Living With The Blues" und "In My Dreams" lehnen sich stärker an "Still Got The Blues" an als ein Betrunkener des Nachts an den Laternenpfahl. Den Albumtitel als Frage formuliert, stellte sich der Rezensent in seiner Jugendzeit vor jedem Wochenende. Die Antwort fiel in Anlehnung an einen weiteren Songtitel aus dem Mooreschen Kosmos schlicht aus: "Over The Pil(l)s And Far Away".
Was Maria für das Christentum ist der Blues für die Pop- und Rockmusik. Die Mutter allen Übels hat allerdings trotz des Prädikates "zeitlos" schnell einen langen Bart. Andererseits verhindert gebetsmühlenartige Wiederholung, dass man in Vergessenheit gerät. Trotz oder gerade wegen der Simplizität in Sachen Arrangements, Akkorde und Melodieführung zieht der Blues stets die Blicke auf sich.
Dass weiße Männer nicht mächtig sind, diese Spielart mit Leben zu füllen, mag mit Blick auf die rootige Variante wie den Delta Blues gelten. Durch die Verbindung mit stromerzeugenden und durch einen Verzerrer gejagten Instrumenten wird auch für die breitere Masse ein Schuh draus. "Looking At Your Picture" verbindet in anarchischer Form Trip Hop und Delta Blues. Dieser Track gewinnt den Innovationspreis der Platte und fällt schwermütig wie schwerenötig aus.
Auf den ersten Bluesrock-Boom Anfang der Siebziger durch namhafte Recken wie Peter Green oder Eric Clapton folgte ein Rock-dominierte Phase, in der ein irischer Klampfer namens Gary Moore von sich Reden machte. Erst in Diensten von Thin Lizzy, dann Solo sorgte der gelockte Derwisch für Furore und fungiert seitdem als geerdetes Bindeglied zwischen Könnern wie Ritchie Blackmore und Eddie Van Halen.
Moores markantes und zupackendes Spiel mit klarer Klanggestaltung stellt den roten Faden dar. Stets spielt er versiert und virtuos, ohne in selbstgefälliges Genudel abzudriften. Der melodische Gestus des Stückes dient als solistischer Leitfaden. Somit huldigt der Meister sowohl den Roots, versieht das Dargebotene mit seiner eigenen Handschrift.
Über die Herkunft der Aufnahmen ist leider nichts genaueres in Erfahrung zu bringen. Moores früherer Intimus Bob Daisley hat seinen damaligen Buddy Anfang der Neunziger auf den Blues gebracht. Insofern lädt diese Rares für Bares-Zusammenstellung zur Spurensuche in den Blues-Katakomben ein.
2 Kommentare mit einer Antwort
"How Blue Can You Get?"
Frag mal meine Ex und ihren BDSM-Fetisch.
Fühl den Blues
Sehr schöner Nachlass, bei dem die vier Sterne klargehen und trotzdem war und ist mir persönlich noch immer der Rocker Gary Moore lieber als der Blueser.