laut.de-Kritik

Wer ganz nach oben will, darf ruhig mal übertreiben.

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Der Weg war lang, aber Tobias Forge und seine Nameless Ghouls und Ghoulettes haben es bis in die ganz großen Event-Tempel geschafft. Was als Weihrauchfass schwenkender Anti-Papst begann, landet Anno 2023 als musicalhafter Masken-Mummenschanz ganz dicke im Mainstream. Und das völlig zurecht, weil musikalisch und vor allem live auch theatralisch absolut professionell in Szene gesetzt. Als bekannt wurde, dass Ghost einen Film ins Kino bringen, war das Drumherum aber schon wieder over the top. Nicht einfach ein Konzertfilm soll es sein, sondern eine ganz neue Erfahrung für Fans.

Das las sich im Promosprech dann wie folgt: "Eine absolut einzigartige, phantasmagorische Mischung von Favoriten aus allen fünf Alben von Ghost, sowie des mit RIAA-Platin ausgezeichneten 'Mary On A Cross' und mehr werden mit den Kinodebüts einiger Gesichter verwoben, die den Legionen von Fans der Band bekannt sind – alle interagieren hinter den Kulissen mit Ghosts Papa Emeritus IV, während seine Zukunft und sein Schicksal in den Händen der Geistlichkeit liegt."

BÄM! Dick aufgetragen? Ach, scheißegal. Wer ganz nach oben will, darf ruhig mal maßlos übertreiben, auch wenn die Worte im Angesicht des Ergebnisses doch etwas derbe übers Ziel hinaus schießen. Was haben wir? Einen gut gemachten Konzertfilm, zusammengeschnitten aus zwei ausverkauften Shows in Los Angeles, garniert mit allerlei humorigem Firlefanz, der sich um die Evolution des Papa Emeritus dreht. Eingestreut in Backstage-Szenen, die wirklich witzig rüberkommen.

Das hier vorliegende Produkt ist einfach die Musik, die im Film auf der Bühne zum Besten gegeben wird. Aber auch nicht ganz, denn aus der Setlist des Films fehlen folgende Songs: "He Is", "Ritual", "Con Clavio Con Dio", "Year Zero" und "Mummy Dust". Das um diese starken Nummern kastrierte Set wurde dann mit dem neuen Track "The Future Is A Foreign Land" in der Studio-Version ergänzt, das mit "Mary On A Cross" und "Kiss The Go-Goat" den Abschluss der Sechziger-Referenzen-Trilogie bildet. Mit den fehlenden Nummern kann das nette Liedchen aber kaum mithalten.

Auf der Habenseite findet sich aber dann doch ein Sammelsurium aus Bangern der Ghost-Historie. Hooks zum Niederknien, gespielt von Virtuosen ihres Faches. Einmal mehr: Hört euch mal den Knilch am Bass an! Dank der größeren Produktion, kommt der Konzertbesucher und der Hörer dieses Ergusses auch in den Genuss der starken Backing-Vocals der Ghoulettes, was dem Pomp der Darbietung auf der Bühne auf ein neues Level hievt.

Das Cover des Albums verweist auf die fiktive Historie der Band, die ja eigentlich schon in den Sechzigern mit Papa Nihil, dem Daddy von Emeritus IV, auf der Bühne stand. Der betritt nämlich als Untoter aus dem Sarg beim Instrumental "Miasma" die Stage und gibt das Saxophon-Solo zum Besten, ehe ihn die Helferleins wieder in der Kiste verstauen, wo er hingehört. Deutlich zu hören beim aufbrandenden Applaus. Diese Stelle ist nicht die einzige, bei der man sich wünscht, das dazu passende Bewegtbild sehen zu können. Weitere Stellen des Films sind das Intro "Imperium" samt dem sich anschließenden "Kaisarion". Eine Einlauf-Inszenierung, die im Live-Kontext kaum genialer funktionieren könnte. Auch hinten runter fallen Bilder der famosen Unplugged-Version von "If You Have Ghosts", da sieht die Studio-Version nur die Rücklichter. Die Celli bedienen weitere namenlose Damen hinter Masken, flankiert von einer fantastischen Sängerin, die Forge stimmlich beisteht. Der Auftritt der nackerten Skelette bei "Twenties" und "Dance Macabre" sind ebenfalls sehens- aber leider nicht hörenswert.

Dem Live-Erlebnis zuträglich ist auch das ständige Geplapper des Herrn Emeritus IV. Manchmal etwas zu viel des Guten, aber ok, um eine "good time" zu haben. Was der Film gezeigt hat und was auch auf Konserve gut rüberkommt: Alle Anwesenden hatten ihren Spaß. Die auf Nonett-Größe angewachsene Band und die geschätzt 15.000 Zuschauer.

Neben dem ganz offensichtlich aufpolierten Sound gibt es aber - abgesehen von den fehlenden Songs - kaum Kritikpunkte, außer: Gerade erst wurde angekündigt, dass der Film ab 20. Juli für läpp'sche 21,80 Euro 48 Stunden streambar ist. Da fragt man sich unweigerlich, ob die Verantwortlichen noch alle unheiligen Latten am Zaun haben.

Trackliste

  1. 1. Imperium
  2. 2. Kaisarion
  3. 3. Rats
  4. 4. Faith
  5. 5. Spillways
  6. 6. Cirice
  7. 7. Absolution
  8. 8. Call Me Little Sunshine
  9. 9. Watcher In The Sky
  10. 10. If You Have Ghosts (Chamber Version)
  11. 11. Twenties
  12. 12. Miasma
  13. 13. Mary On A Cross
  14. 14. Respite On The Spitalfields
  15. 15. Kiss The Go-Goat
  16. 16. Dance Macabre
  17. 17. Square Hammer
  18. 18. The Future Is A Foreign Land

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