laut.de-Kritik
In diesem Flughafen ist noch was los.
Review von Toni HennigBei der dänischen Jazzformation Girls In Airports gab es in den letzten Jahren personelle Veränderungen. Drummer Mads Forsby sowie Saxofonist und Klarinettist Lars Greve stiegen aus. Dafür kam mit Anders Vestergaard ein neuer Schlagzeuger in die Band. Dennoch klingen die Kopenhagener auf dem nun veröffentlichten "Dive" spielfreudiger denn je.
Bei "Dive" war Greve noch dabei. Und so richtig kann man sich auch keinen Ersatz vorstellen, wenn durch sein Zusammenspiel mit dem zusätzlichen Saxofonisten Martin Stender spannende Reibungen entstehen, während man sich zu zaghaften Drum-Klängen und nächtlichen Keyboard-Tönen von Mathias Holm vor dem inneren Auge in einer verrauchten Jazz-Bar wähnt.
Danach führt "Collision" mit afrikanischen Trommeln, zeremoniellen, von Victor Dybbroe gespielten Percussions sowie Flötensounds von Stender in ethnojazzige Gefilde. Genauso rhythmisch geht es im anschließenden "Weaver" zu, nur nimmt das Stück ab der Mitte eine Abzweigung in Richtung Post-Rock. "Outside Looking In" mutet dann beinahe filmisch an, wenn Polyrhythmen am Schlagzeug auf melancholisch aufjaulende Saxofon-Töne treffen. Ganz schön viel los also auf dieser Platte.
Genauso abwechslungsreich geht es auch weiter. So hört man in "Stonehouse" neben Indie-Rock-Sounds an der Gitarre auch hier und da ein paar melodische Saxofon-Töne, die lyrische Klasse nicht vermissen lassen, und in "Rold Skov" wirbeln die Drums nur so vor sich hin, während die beiden Saxofonisten eine Menge Dreck aufwirbeln, ohne das Emotionale aus den Augen zu verlieren. Bei aller Ungeschliffenheit legen Girls In Airports nämlich ein sehr gutes Gespür für intensive, wunderschöne Melodien an den Tag.
Strukturell arbeiten die Kopenhagener des Öfteren nach dem klassischen Post-Rock-Schema auf ein mitreißendes Finale hin, laden aber mit "Waving Leaves" und "Icicle" auch mal kurzzeitig zum Entspannen ein, wenn idyllische Flöten- und Klarinetten-Klänge die Tracks durchziehen.
Außerdem spulen sie nie lustlos irgendwelche Skalen herunter, sondern füllen die Songs immer mit individuellem Eigenleben. Bis auf "Broke", denn die plastischen 80er-Jahre-Sounds am Keyboard im Stile von Miles Davis' "Tutu" und die Saxofon-Einschübe bieten nämlich statt Spannung nur gefällige Langeweile. Da das Album jedoch mit "Lin" auch mit einem Stück aufwartet, das Miles' Fusion-Phase mit der schmerzenden, kreischenden Schönheit John Coltranes vereint, verzeiht man den Skandinaviern diesen Ausrutscher.
Mit "Anima" endet die Reise durch die verschiedensten Stile und Jahrzehnte versöhnlich, lassen sich doch verwaschene Gitarren-Töne, entrückte Drums, sphärische Keyboard-Sounds, weltmusikalische Percussions im Hintergrund und atmosphärische Saxofon-Töne nordischer Prägung durch nichts aus der Ruhe bringen. Bei aller Lebendigkeit zieht "Dive den Hörer immer wieder auch mal in die Tiefe.
1 Kommentar
Irgendwo zwischen Jazz und World Music. Speziell und eigenständig, deshalb interessant. Spannende Rhythmen, gute Sax- und Flötenstimmen.