laut.de-Kritik

In der dunklen Ecke: elektronischer Goth-Pop.

Review von

Ätherisch anmutende, schöne Damen mit einem Hang zum Abseitigen wandeln auch 2013 in den dunklen Ecken der Popmusik – dort, wo es eigentlich am schönsten ist. Meist tönen eigenwillige Synthie-Arrangements und Streicher aus diesen Ecken, in denen aktuell wieder Austra oder Zola Jesus zu finden sind. Zu ihnen gesellt sich Cameron Mesirow, die nach drei Jahren der Stille ihren zweiten Longplayer als Glasser veröffentlicht.

"Interiors" steht stilistisch und inhaltlich für den Umzug Mesirows von der Westküste nach New York. Der Titel beschreibt zu gleichen Teilen das menschliche Innenleben und ihre Faszination für Architektur. Vom Architekten Rem Kohlhaas beeinflusst, beschäftigt sie sich mit den starren Außenfassaden, die im Kontrast zu den vielseitigen Lebensentwürfen im Inneren stehen.

Solche Verweise lassen aktuell vor allem an Lady Gaga und Jay-Z denken. Während sich jedoch die Eine nackt in Marina Abramovics Körperlichkeit suhlt und (metaphorisch) an Jeff Koons reibt, macht der Andere jetzt Picasso-Rap (komischerweise auch mit Abramovic). Glasser aber schreiben sich dies als ästhetisches Prinzip auf die Fahne.

Im Gegensatz zum 2010 erschienenen Debüt "Ring" ist der Zweitling rigider und kälter geraten. Mesirow weist sich selbst in die Schranken, was häufig zu einem sehr eingängigen Sound führt, der sich als elektronischer Goth-Pop beschreiben lässt. Damit steht sie in einer Linie mit den oben genannten Austra oder der betörenden Grazie von Bat For Lashes. Doch sollte man den Pop-Appeal nicht zu sehr strapazieren.

Denn wie ihre Mitstreiterinnen verfügt Cameron Mesirow über ein beeindruckendes Organ, das sie äußerst vielseitig einsetzt. So ist sie ihr eigener Backgroundchor oder singt dialogisch in verschiedenen Höhen. Dies funktioniert über Dream-Pop-Flächen ("Shape"), kantigere Electronica-Patterns ("Forge") oder eben geradlinigen Synthie-Pop("Keam Theme"). Dass sie dabei ganz dem Innen-Außen-Gegensatz folgend über persönliche Themen und vor allem eine gescheiterte Beziehung singt, versteht sich fast von selbst.

Letztlich ist die selbst gewählte Einengung nicht sehr förderlich für die vielseitigen Arrangements, die sie selbst zu unterschätzen scheint. In unter vier Minuten scheint vieles zu kurz angerissen, um die ganze Intensität auszuspielen, die in den Tracks steckt. Zwar liefern Glasser ein beeindruckendes Zweitwerk ab, das über weite Strecken fasziniert, doch seinem Potenzial kaum hinterher kommt.

Passenderweise sind es die "Windows", drei kurze Zwischenspiele, die am stärksten fesseln. Der ausgesprochen experimentelle Charakter dieser Tracks, wenngleich sie sehr kurz sind, sticht heraus und erinnert an die großen Vorbilder der Damen aus den dunklen Ecken des Pop: Björk und The Knife. So wünscht man sich, dass Glasser nur häufiger die starren Außenwände eingerissen und damit dem Experiment die Tür geöffnet hätten.

Trackliste

  1. 1. Shape
  2. 2. Design
  3. 3. Landscape
  4. 4. Forge
  5. 5. Window I
  6. 6. Keam Theme
  7. 7. Exposure
  8. 8. Dissect
  9. 9. Window III
  10. 10. Window II
  11. 11. New Year
  12. 12. Divide

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