laut.de-Kritik
Weckt Gedanken an schwitzende, sich aneinander reibende Leiber.
Review von Alexander CordasVor zwei Jahren stiegen Alison Goldfrapp und Will Gregory von ihrem "Felt Mountain" hernieder, um die Musikwelt mit einer Perle der ganz besonderen Art zu beglücken. Anno 2003 pflücken die beiden schwarze Kirschen. Würde es ihnen gelingen, vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet einen ebenbürtigen Nachfolger aus dem Hut zu zaubern?
Denkt man an die epischen Klangmonstren des Debüts zurück, dann erstaunt die Kehrtwende mit der Verwendung clubtauglicher Sounds. Die erste Kirsche namens "Crystalline Green" entpuppt sich als gewöhnungsbedürftig. Staubtrockene Snare-Beats legen sich unter die gewohnt ausdrucksstarke Stimme Alisons. Lediglich im Mittelteil, wenn sie mit Engelsgesang zum schmückenden "Aaaahhhh" ansetzt, scheinen vereinzelt Fragmente des Debüts durch den kühlen Elektrokosmos des Tracks.
Diese Reminiszenzen an "Felt Mountain" ziehen sich zwar als roter Faden durch das Album, treten jedoch jede Vormachtstellung zugunsten tanzbarer Rhythmik ab. Der erste Klopfer dieser Sorte und gleichzeitige Vorab-Single "Train" betritt Neuland. Lasziv und kinky seufzt und schmachtet sich Goldfrapp durch die "Put Your Hands To Your Hip"-Hoppelpoppelbeats. Spontane Assoziationen mit schwitzenden, sich aneinander reibenden Leibern sind natürlich richtig und auch erlaubt.
"Black Cherry" fährt jedoch nicht stur auf der frostigen Elektro-Schiene. Dem Schönklang bietet sich genügend Platz, um dem nach altbewährten Cinemascope-Epen gierenden Hörer Befriedigung zu verschaffen. Der Titeltrack ist der erste von insgesamt vier Tracks, die überdeutlich vor Ohren halten, dass das Konzept von "Felt Mountain" nicht gänzlich auf der akustischen Müllkippe landete. "Deep Honey" entführt, unterstützt von zarten Cembalo-Klängen, wieder in luftige Höhen, in denen Alisons Stimme auf den Flügeln der Streicher von dannen schwebt.
Kopistentum ist nicht das Ding der Engländer. Deshalb sucht man ein "Human Part II" auch vergebens. Das soll nicht bedeuten, dass "Black Cherry" keinen Megasong dieses Formates bereit hält. Mit "Hairy Trees" folgt denn auch der wohl atmosphärischste des Albums. Nach wie vor kitzeln ätherisch vernebelte Melodien und träumerische Harmonien an den Emotionen. Mit dem elegischen "Forever" war es das an sanftem Klang aber auch schon gewesen.
Der Bruch mit dem Vorgänger gestaltet sich beim genaueren Hinhören weniger krass, als es den Anschein erweckt. Insgesamt betrachtet liegen die Stärken des Albums in seiner heterogenen Homogenität. Klingt wie ein Widerspruch? Nur bedingt, denn selbst wenn die Beats aggressiver und die Songs sich expressiver präsentieren, bleibt das Grundgerüst stets Goldfrapp. Anders, aber immer noch verdammt stark.
1 Kommentar
Einzig ,Tip Toe‘ und ,Deep Honey‘ finde ich ein wenig langwierig und zu ähnlich zu einander klingend. Alle restlichen Songs (Crystalline Green, Strict Machine, der Titeltrack, Hairy Trees, Twist, Train, Forever, Slippage) sind spitze und zeigen, dass Goldfrapp auch dann authentisch bleiben, wenn sie das Pferd ein wenig umsatteln und es musikalisch einmal etwas elektronischer, lasziver zugeht. Bis heute ist es Goldfrapps weiteren Electronica-/Electro-Clash-Outputs nicht wirklich gelungen, das ebenbürtige Niveau ihrer schwarze Glanzkirsche zu erreichen. Ich vergebe 4,5/5 Sternen.