laut.de-Kritik
Der ehemalige Blur-Gitarrist sprudelt über vor Kreativität.
Review von Michael SchuhAbseits von Blur zu arbeiten, bereitete Gitarrero Graham Coxon schon immer großen Spaß. Ganze drei Solo-Alben klampfte er bislang für sein eigenes Label ein, die unter anderem deutlich machten, warum ihm die überzuckerten Arrangements alter "Great Escape"-Zeiten so peinlich sind. Wie es aussieht, kann er nun den lieben langen Tag machen was er will, denn: Graham ist raus bei Blur. Ob seine Ex-Kumpels ohne ihn und mit Fatboy Slim das kreative Level ihres "13"-Albums aufrecht erhalten können, wage ich zu bezweifeln. Vor allem, seit "The Kiss Of Morning" in meinem Player rotiert.
Mit einer Sammlung kantiger, rauer Songwriter-Folk-Songs stolpert Coxon unter Zuhilfenahme zweier Mitmusiker auf einen zu, wie man es noch vom hungrigen Jungspund Beck in guter Erinnerung hat (man höre nur "It Ain't No Lie"). "Bitter Tears" ist ein sanfter Einstieg, dessen melancholische Verspieltheit erst nach mehrmaligem Hören richtig greift. Auf Coxon'sche Pop-Hymnen der Marke "Coffee & TV" trifft man dagegen nicht. Dafür setzt er in "Locked Doors" Großvater Bluesrock unter Strom, der sich in einem wahren "Helter Skelter"-Gewitter entlädt. Hinzu kommt eine durchweg schrullige Analog-Performance, die einem die guten alten Zeiten in greifbare Nähe heran holt.
"Mountain Of Regret" hievt Coxon gar in ein (echtes!) Country House nach Nashville, das denn auch mit einem Pedal Steel-Solo prahlen kann. Eine Gesangsstimme hat er zwar nach wie vor nicht, gerade hier liegt aber die gewisse Würze in seinen Songs. Anschmiegsam wie im Dylan-typischen "Baby, You're Out Of My Mind" oder nervös leiernd wie in "Live Line", hier lebt jemand seine Songs, hier berauscht sich einer an seiner offensichtlich übersprudelnden Kreativität.
Dass Coxon als alter Biker auch schwer neblige Psychedelic Rock-Riffs auf dem Kasten hat, macht "Do What You're Told To" unmissverständlich klar. Definitiv ein Song für den Volume-Regler. "Escape Song" könnte dagegen einer von diesen knorrigen Blur-Rockern sein, die ihm wieder mal niemand ausreden konnte, da die hohe Tonlage Coxons dünnes Stimmchen doch auch mal vor Probleme stellt. Trotzdem, große Sache das hier. Fatboy, du bist am Zug.
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