laut.de-Kritik
Den Space Rock-Veteranen gelingt die Kurskorrektur.
Review von Dominik KautzDer Zufall will es, dass sowohl der erste Mondspaziergang, als auch die Space Rock-Pioniere von Hawkwind anno 2019 ihr 50-jähriges Jubiläum feiern. Während eine bemannte Rückkehr zum Mond seit bald 50 Jahren aussteht, bleibt die Crew um den 78-jährigen Chef-Astronauten Dave Brock auch auf dem mittlerweile 32. Studioalbum stabil auf Science-Fiction-Kurs und dringt immer weiter in die unendlichen Weiten des interstellaren Raums vor.
Mit einer abgedrehten Story - galaktische Raubritter, die sich vom Fleisch der Bewohner der von ihnen kolonisierten Planeten ernähren - legen Brock und seine Kollegen Magnus Martin (Gesang, Gitarre, Keyboard), Niall Hone (Bass) und Richard Chadwick (Schlagzeug, Percussion, Gesang) in "Flesh Fondue" gleich zu Beginn einen starken Auftritt aufs Parkett. Der klassische Hawkwind-Rocker enthält von einem hypnotisch treibenden Beat über aufreibend tönende Keyboard-Parts bis hin zu Captain Brocks typisch psychedelischem Gitarrensound und Proto-Punk-Anleihen alle typischen Elemente der Briten.
Dass sich "Flesh Fondue" klanglich und lyrisch möglicherweise vertraut anhört, hat seinen Grund: Die Nummer stellt eine Neubearbeitung von "Star Cannibal" dar (vom 1982er Album "Church Of Hawkwind"). Die aktuelle Version weist wesentlich mehr Pfeffer und Energie auf. Die etwas halbgare Nachspeise zum Fondue, das instrumentale "Nets Of Space" enthält ebenfalls bekannte Elemente. Brock greift hier eine Basslinie auf, die er bereits 1988 auf seiner Soloplatte "The Agents Of Chaos" für den Track "Mountain In The Sky" nutzte.
In bunte, samtig trippige Gefilde geht es mit dem 6/8-Takt "We Are Not Dead ... Only Sleeping", dessen Klavierbegleitung eine angenehm jazzige Note versprüht. Auch der Titeltrack "All Aboard The Skylark" entführt mit aufsteigenden, in sich kreisenden Synthie-Figuren, delaygetränkten Gitarren und dem als liebevolle Reminiszenz an den Hawkwind-Sound der frühen 1970er zu verstehenden Saxophon-Arrangement von Gastmusiker Michal Sosna. Beide rein instrumentalen Songs klingen wie Überbleibsel aus einem mit reichlich Lysergsäurediethylamid angeheizten Jam zu "In Search Of Space"-Zeiten und gehören zu den Highlights der Platte.
Hawkwind packen auch zutiefst dystopische Szenerien in ihr omnipräsentes Weltraum-Sujet: "Last Man On Earth" handelt von einem Raumfahrer, der nach tausenden Jahren des Reisens zurück zur Erde kehrt und feststellen muss, dass die Menschheit, angetrieben von ihrem übermächtigen und selbstzerstörerischen Wesen, ausgestorben und er der letzte Überlebende seiner Art ist. "The scars are healing all across the land / ... / and with my passing all the gods will die / ... / nature’s army gathers all around", heißt es im Text, den hier anstelle Brocks der deutlich stimmschwächere, zweite Sänger Magnus Martin vorträgt. Leider, denn Martins Intonation wirkt enorm blass und mag nicht recht zu dem in weiten Teilen akustisch gespielten Song passen, der auf befremdliche Art ein wenig an die Eagles erinnert.
'Space is the place to be' lautet das Motto der instrumentalen, ambientlastigen "In The Beginning" und "The Road To ...", die mit luftigen Klangwolken und relaxten Beats zurück in den Orbit führen, und hervorragend als musikalische Untermalung einer gemeinhin bekannten Nachtsendung der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten taugen würden. Beiden Tracks hätte eine etwas längere Spielzeit gut zu Gesichte gestanden, da deren Erweiterung der klanglichen Farbpalette enorm gut zum Sound der Hawks passt. Das gilt vor allem für den nur zweiminütigen und damit kürzesten Song der Platte "In The Beginning".
Im abschließenden und erneut von Martin gesungenen "The Fantasy Of Faldum" vertonen die Briten Hermann Hesses "Das Märchen von Faldum", das dessen philosophische Auseinandersetzung mit der Nichtigkeit menschlicher Gesellschaften im Angesicht der Indifferenz des Universums zum Inhalt hat. Der mit über neun Minuten längste Track des Albums ist zugleich auch der überraschendste und klingt wie eine Kreuzung aus Hawkwind, Procol Harum und Moody Blues Songs à la "Tuesday Afternoon". Die Hawks punkten hier vor allem mit dem ausgedehnten Zusammenspiel von Synthies und Gitarrensoli - ein würdiges Finale.
Nachdem die letztjährige Scheibe "Road To Utopia" mit ihren orchestralen Neueinspielungen einiger älterer Songs noch auf ein sehr zwiespältiges Echo stieß, gelingt den Space Rock-Veteranen an Bord der Skylark dank einem soliden Album mit moderner Produktion und stimmigem Cover-Artwork wieder eine Kurskorrektur.
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