laut.de-Kritik
Absurde Geschichte für Ponyhof-Fans und Splatter-Narren.
Review von Jasmin LützMit Musicals kann man mich jagen. Namen wie Hair oder Cats lösen in mir das Böse eines Mr. Hyde aus. Wie gut, dass es Ausnahmen gibt. Der einmalige Helge Schneider macht es vor. In einem packenden Horror-Trash-Splatter-Drama.
"Mendy, das Wusical" wurde im letzten Jahr am Schauspielhaus in Bochum uraufgeführt. Die packende Geschichte gibt es jetzt auch auf Doppel-CD zu hören. Die etwas andere und vor allem erträgliche Art, eine Geschichte musikalisch zu untermalen. Allerdings nichts für schwache Nerven. Allein die Stimme von Wendys strenger Mutter verursacht Gänsehaut. Dazu gibt's stummfilmartige Pianobegleitung vom Meister selbst und fertig ist das Hörspiel-Märchen. Hiermit bekenne ich mich als neuer Fan des Wusicals!
Die Thematik läuft manchmal etwas aus dem Ruder. Von bitterbösem Sarkasmus bis zu liebreizendem Absurdum. Hauptthema ist natürlich Mocca, Wendys Pferd, das geschlachtet werden soll. Der Vater sitzt im Rollstuhl ("Morgen Papa, so früh schon auf den Beinen"?), der Knecht wird mal eben mit der Axt erschlagen und in Müllsäcke verpackt.
Zwischendurch lernt man einen Porscheverkäufer kennen, und die Szene im Schulbus ist eh für den Arsch. Die Pferde auf der Weide, teilweise mit französischem Akzent, bekommen Tanzstunden und lassen Mocca mit viel Arroganz und bösen Sprüchen eiskalt stehen. ("Vater Brauerei-Pferd und Mutter 'ne Putze"). Ein Kegel wird plötzlich menschlich und die kölsche Sprache beherrscht Herr Schneider auch einwandfrei.
Unzählige Dialoge, die man sich auch hätte sparen können, jedoch die Lachmuskeln aufs Äußerste strapazieren und im Ganzen einfach genial sind. Improvisiert hört sich das Ganze an, aber der Meister selbst bestätigt, dass er sich beim Lesen genau ans Drehbuch hält. Die "Katzeklo"-Hitsingle läuft in Wendys Kinderzimmer, während der Vater seiner Tochter vergeblich erzählt, dass er sich umbringen will. Kein Wunder, schließlich hat er zuvor seine Frau mit dem Knecht beim Ficken erwischt (Der dazugehörige "Wir Ficken"-Song bedarf bitte auch höchster Aufmerksamkeit).
Im Laufe des dramatischen Plots entpuppt sich die Mutter als perverse, kaltblütige Mörderin, die unterdes Ludwig van Beethoven total geil findet. Beim Hören des Wusicals werden Erinnerungen an die guten, alten Hörspiele wach. Anfangs ist es etwas schwierig, die einzelnen Personen auseinander zu halten, trotz genialer Dialektik des Autors. Helge Schneider spricht sämtliche Charaktere in dieser Geschichte, insgesamt 27 Akteure, und begleitet die packenden Szenen durch sein unvergleichliches Klavierspiel. Zwischendurch erklingen lieblich-süße und zweideutig-böse Liedchen, gesungen natürlich von ihm selbst.
Herr Schneider schrieb auch das Drehbuch, gemeinsam mit Andrea Schumacher, und führte Regie. Der wahre Helge Schneider-Fan wird dieses Theaterstück lieben. Anderen wird es vielleicht auf Dauer doch etwas zu anstrengend. Immerhin ist es auf zwei CDs gepackt und stellenweise sehr albern. Aber eine großartige Albernheit, die nur Schneider beherrscht. Ich persönlich wäre sehr gerne bei den Aufnahmen dabei gewesen.
Nachdem man den ersten Teil auf CD1 gut überstanden hat, seine Muskeln lockert und sich innerlich auf CD2 vorbereitet, gelangt man zum nächsten Höhepunkt. Die Nacht-Szenen beim Schlachter mit Wendy, die sich für ihr treu-doofes Pferd opfert, sind sensationell, und es wäre kein Wusical, wenn es nicht ein Happy End geben würde. "Alles wird gut"! Eine absurde Geschichte für alle Ponyhof-Fans und Splatter-Narren. Helge Schneider ist eben doch der Peter Jackson des Ruhrgebiets.
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