laut.de-Kritik

Indie zwischen Plattitüden und Pad-Sounds.

Review von

In der Bredouille haben die Hamburger Helgen wohl gesteckt, als sie Anfang des Jahres ein Album mit Tour angekündigt haben. Unsichere Zeiten machen ein Release nicht einfacher, die Musik auf unbestimmte Zeit im Schrank zu verstecken, kann aber auch nicht die Lösung sein.

Als mittlerweile zweite Platte zeigt sich "Die Bredouille" vielfältig und abwechslungsreich. Dabei ist die Heimat stehts bodenständiger Indie-Rock. Songs wie der Titeltrack und "Der Grashalm Im Orkan" sind treibend und harmonisch, bieten aber auch wenig Neues. Die erste Hälfte des Albums dümpelt leider all zu sehr in diesen Gewässern.

Interessanter zeigt sich die Band, wenn zum klassischen Schema noch flächige Synths oder fast psychedelische Wiederholungen hinzukommen. "Wie Gut, Dass Du Spinnst" demonstriert dies eindrucksvoll und steigert sich von sehr ruhig zu sehr mitreißend. Eine eingängige Gitarre dominiert auch das Instrumental "Trick Track" und zieht im Verlauf des Lieds immer mehr in den Bann. Dabei entwickelt der Track eine Jam-Session-Ästhetik, die keine Zweifel an den instrumentalen Fähigkeiten des Trios zulässt.

Leider bleiben die Texte etwas hinter der guten musikalischen Begleitung zurück. Sänger Helge will Geschichten erzählen, ist dabei aber so allgemein, dass wenig hängen bleibt. "Woran Hat Es Gelegen" bietet mit "Lass es lieber sein" einen Rat für stressige Zeiten, aber was man denn lassen soll, verrät er nicht. Auch "Dumme Ideen" strotzt vor Floskeln. Musik, bei der man auf Facebook "das bin soo ich!" kommentiert und die beste Freundin verklinkt.

Als einziger Song des Albums kommentiert "Die Geigerzähler Geigen" aktuelles Zeitgeschehen und zeichnet ein inhaltlich düsteres, musikalisch dagegen fröhliches Bild einer dystopischen, atomverseuchten Zukunft. Die Stoßrichtung ist klar, wenn es heißt, "Heut ist das Ende der Welt, der Ausredenvorrat ist fast verbraucht".

"Tschüss" leidet zwar auch unter besagter Unkonkretheit, bringt aber mit der warmen Lo-Fi-Ästhetik neuen Sound und Abwechslung. Die Stimme des Sängers klingt auf sanftem Beat auch deutlich präsenter und nuancierter als bei Hymnen wie "Mach Dir Keine Sorgen".

Insgesamt funktioniert Helgen umso besser, je mehr sich die Band ausprobiert. Die Ansätze hin zu längeren Songs und neuen Strukturen funktionieren, klingen aber teilweise etwas eingezwängt zwischen den konventionellen Tracks. Ein Lied wie "Schlafen", das den Titel wörtlich nimmt und durch verträumte Vocals à la Bon Iver einlullt, hätte ruhig den Klangflächen etwas mehr Raum geben und eine Minute drauflegen können. Besonders die zweite Hälfte von Die Bredouille zeigt aber, dass Helgen sehr atmosphärisch und musikalisch ausgereift spielen können.

Trackliste

  1. 1. Die Bredouille
  2. 2. Die Geigerzähler Geigen
  3. 3. Woran Hat Es Gelegen
  4. 4. Der Grashalm Im Orkan
  5. 5. Wie Gut, Dass Du Spinnst
  6. 6. Tschüss
  7. 7. Trick Track
  8. 8. Tik Tak
  9. 9. Mach Dir Keine Sorgen
  10. 10. Dumme Ideen
  11. 11. Schlafen

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