laut.de-Kritik
Trete deinen Nächsten wie dich selbst!
Review von Giuliano BenassiWer zuletzt in den Genuss eines Liveauftritts von Iggy Pop gekommen ist (zum Beispiel beim Southside Festival) und davor noch seine 99er Platte "Avenue B" in Erinnerung hatte, wird mit den Ohren geschlackert haben: nichts war mit jazzig-einlullenden Geschichten über jugendliche Dominas, gebrochene Herzen und ein paar blaue Flecken. Brutal ging es zu, gar so brachial, dass der Lagerfeuerhit "The Passenger" zum Metal-Pogo-Massaker mutierte.
Eine Rückkehr zur autodestruktiven "Raw Power"-Vergangenheit der Stooges, oder die Eröffnung eines neuen Kapitels in Pops Schaffen? Eine Antwort lässt sich auf seinem neuen Album finden. Schon der Titel, "Schlage sie zusammen," legt die Vermutung nahe, dass es etwas aufgemischter zugehen würde als zuvor. Unter Tracks wie "Wichser", "Der Tod Ist Sicher", "Greif Dir Die Gurgel", "Trinke Frisches Blut" oder "Alles Ist Scheiße" kann man auch kaum akustische Balladen vermuten.
Was Pop in Eigenproduktion mit Gitarrist Whitey Krist, Schlagzeuger Alex Krist und Body Count-Bassist Lloyd "Moose Man" Roberts vorlegt, ist allerdings so heftig, dass einige hart rockende Bands alt aussehen, obwohl sie 30 Jahre weniger auf dem Buckel haben als der mittlerweile 54-Jährige: aus einem minimalem Klanggefüge die maximale Bosheit und Schlagkraft herauszuholen war die musikalische Aufgabe der Punk-Zeit, und Pop, als Punk-Ikone, zeigt, wo's langgeht.
Mit pumpendem Bass und Schlagzeug geht es schon beim Opener "Mask" zur Sache, in "Howl" jault Pop wie ein läufiger Werwolf, "Football" enthält eine wirkungsvolle, wenn auch etwas billige Metapher übers Leben: Jeder Mensch ist ein Fußball und wird getreten, um von einem anderen ins Tor geschossen zu werden. "We kick each other right where it hurts," fasst Pop zusammen. Eine eher positive Einstellung im Vergleich zu dem, was in der zweiten Hälfte des Albums kommt: Der Tod ist sicher, und das ist gut so, ich bin total am Arsch, ich hasse alle, springe ihnen an die Gurgel, Blut!, alles ist scheiße, ich bin hässlich und nichts wert usw.
Doch gerade im Augenblick des größten Nihilismus erscheint ein Lichtstrahl: gegen die eiserne Logik von "It looks like shit / It smells like shit / It must be shit" kann man zwar nichts einwenden, die anschließende Beschwörung "Love just keeps on coming, love will clean it up" zeigt allerdings, dass neben der Abneigung gegen alles, was einem Glücksgefühl nahe kommen könnte, der Ursprung all dieser Tiraden wohl ein gebrochenes Herz ist. Womit man wieder bei Altbekanntem wäre: Hörte man Pop auf der letzten Platte beim Vorlesen eines Liebesgedichtes noch schluchzen, schlägt der Schmerz diesmal in Aggressivität um.
Dass Iggy Pop leidet und das Bedürfnis hat, sein Leiden musikalisch mitzuteilen, ist nichts Neues. Dass er mit 54 immer noch keine Ruhe gefunden hat, ist einerseits mitleidenswert, andererseits seine große Stärke, denn dadurch klingt seine Musik, egal ob ruhiger, wie auf "Avenue B," oder brachial, wie auf "Beat 'Em Up," glaubwürdig. Auch wenn Instrumentierung und Texte die Vermutung zulassen, es handle sich um aufgewärmte Stooges-Destruktivität, eine Rückkehr in die Vergangenheit ist dieses Album kaum. Eher eine weitere Phase in Pops ereignisreichem Leben. Vielleicht findet er bis zum nächsten Mal wieder ein China Girl und beglückt dann seine Zuhörer mit einem verzerrten Lächeln. Wie damals auf dem Cover von "Lust For Life."
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