laut.de-Kritik
Routinierte Verwaltung des Madchester-Erbes.
Review von Sebastian BerlichDas Altern als Rockmusiker ist nicht leicht, wie man immer wieder hört. Umso erfrischender ist da eine Band wie James, die ihr 14. Album in 30 Jahren einfach so, ohne großes Gewese veröffentlicht und nebenbei noch inspiriert klingt als wäre es ... nun ja, sagen wir mal ihr viertes Album. Man hört ihnen die Routine zwar an, das heißt jedoch noch lange nicht, dass keine Variation möglich ist.
So fällt "Girl At The End Of The World" eine Spur elektronischer aus, als man es von den direkten Vorgängern gewohnt ist. "Bitch" erweist sich dabei mit langsam auftürmenden Synthesizer-Schichten, einer ruppigen Basslinie und Tim Booths hymnischem Gesang als perfekte Eröffnung, die die positive, abwechslungsreiche Stimmung der Platte gekonnt einfängt.
Oft wirkt diese zudem wie ein Streifzug durch die britische Popmusik der 80er und 90er Jahre. Wo "Bitch" mit seinem leichten Psychedelic-Einschlag und der Rave-Rock-Struktur an Madchester und damit die Anfangszeit der Band erinnert, da verweist die abgedunkelte Synth-Pop-Ballade "Dear John" nicht zuletzt dank Booths Kopfstimme auf die Pet Shop Boys. Und einen verspielten Britpop-Song wie "Waking" hätten auch Blur in den 90ern nicht verschmäht.
"To My Surprise", die erste Single des Albums, bringt Synthesizer und markante Indie-Gitarren dann wieder auf einen Track, während Booth im Refrain eine wunderbar eingängige Melodie um das Wort "arsehole" herum baut. Leider gelingt James jedoch nicht alles auf diesem Album: Jene Grenze zum dudeligen Radio-Pop, die "To My Surprise" mit viel Witz streift, die überschreitet "Nothing But Love" allzu bereitwillig.
Plötzlich klingen James so alt, wie sie tatsächlich sind: Der Rhythmus lädt zum Schunkeln ein, der Refrain ist übertrieben weltumarmend und die Gitarrenmelodie bringt ein überflüssiges Ethno-Element in den Song. Auch auf die behäbige Akustiknummer "Feet Of Clay" hätte man im Austausch gegen ein paar kraftvollere Stücke gerne verzichtet.
Ein solcher folgt zum Glück in Form des aufgekratzten "Surfer's Song", dessen flirrendes Synthiegeblubber von einer stoischen Bassdrum kontrastiert wird. In eine ähnliche Richtung zielt "Catapult", hier steht jedoch ein sprunghaftes Riff im Fokus, das man Muse auch für ihr Grammy-prämiertes Debakel "Drones" gewünscht hätte.
Die Spielfreude, die James verbreiten, sorgt dann auch dafür, dass "Girl At The End Of The World" wieder und wieder aufhorchen lässt, obwohl die einzelnen Bestandteile natürlich längst bekannt sind. Sicherlich handelt es sich hierbei nicht um eine Platte für die Ewigkeit, doch immerhin gelingt den Briten die würdevolle Verwaltung ihres eigenen Erbes, ohne dabei zu langweilen.
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