laut.de-Kritik
Herzschmerz, Alkohol und Gott statt Sex, Drugs and Rock'n'Roll.
Review von Josephine Maria BayerDas allseits bekannte Motto der Rockmusik heißt "Sex, Drugs and Rock'n'Roll". Die leicht abgewandelte Erfolgsformel eines guten Countrysongs lautet: Herzschmerz, Alkohol und Gott. Jelly Roll beherrscht die Grundregeln seines Genres so gut, als sei ihm die Lapsteel Gitarre in die Wiege gelegt worden. Doch seine musikalische Heimat ist eigentlich der Hip Hop. Nach einer bewegten Jugend, in der er mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt geriet und viel Zeit im Gefängnis verbrachte, half ihm die Musik zurück ins Leben. In seinem letzten Studioalbum "Ballads Of The Broken" (2021) verzichtete er zum ersten Mal auf das Rappen und versuchte sich stattdessen im Country-Gesang.
In seiner Heimatstadt, der Country-Hochburg Nashville, dürfte es ihm nach dem Genrewechsel nicht gerade an Konkurrenz gemangelt haben. Dennoch hat sich Jelly Roll, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Jason DeFord heißt, in kürzester Zeit in der Szene einen Namen gemacht; Im April gewann er gleich drei CMT (Country Music Television)-Awards. Mit seinen auffälligen Gesichts-Tatoos und der außergewöhnlichen Biografie sticht Jelly Roll aus der Masse der Nashville-Country-Acts hervor. Der Sänger nimmt kein Blatt vor den Mund, bezeichnet sich in seinen Liedern selbst als "White Trash": Ein armer Schlucker aus den Südstaaten.
Die dreizehn Songs des Albums handeln oft von Alkoholsucht und harten Drogen. Im Track "Unlive" erzählt Jelly Roll davon, wie es war, in einem Trailerpark aufzuwachsen. "I've seen pain pills turn to needles. The things I've done to numb these feelings is something that you can't outrun". Es ist der einzige Song des Albums, in dem gerappt wird. Diesen Part übernimmt jedoch nicht Jelly Roll, sondern sein Country-Rap-Kollege Yelawolf. In "Dancing With The Devil" singt er, dass Tabak nicht das einzige Zeug sei, das er rauche.
Im scheinbaren Kontrast zu dem chaotischen Lebensstil steht seine ausgeprägte Sehnsucht nach Gott, die in seinen Texten immer wieder vorkommt. Vielleicht sind beide Phänomene, die Drogen und die starke Auseinandersetzung mit dem Glauben, ein Ausdruck desselben Verlangens nach Erlösung. Wie er in Interviews wiederholt betont, ist Songwriting für ihn eine Art Therapie. Der ruhige Song "Save Me" fasst seine Zerrissenheit zusammen. Begleitet von sanfter Gitarre und Klavier, singt er: "Somebody save me from myself."
Mehrere Tracks beginnen und enden mit dem Geschrei eines Fernsehpredigers, der sich energisch über Verdammnis und Errettung ereifert. Das Predigtgemurmel zieht sich wie ein konstantes Hintergrundgeräusch durch das Album und im übertragenen Sinne auch durch Jelly Rolls tiefreligiöse, kulturelle Heimat, den sogenannten "Bible-Belt". Der Sänger befindet sich nicht auf der Zielgeraden gen Hölle; im Himmel sieht er sich jedoch auch nicht so wirklich: "I don’t know if I’m halfway to heaven or halfway to hell," singt Jelly Roll im rockigen Opener – eine Anspielung auf AC/DCs "Highway To Hell". Er bete nur, wenn er einen Gefallen braucht ("Need A Favor"), die meisten seiner Freunde befänden sich hinter Gittern ("Behind Bars") und er fühle sich um einiges wohler in der Gesellschaft der verlorenen Seelen als der Strenggläubigen ("The Lost"). Jelly Roll findet Gott an unerwarteten Stellen: "You'd be surprised at the places I find Jesus". Dennoch geht er Sonntags brav zur Kirche, wenn auch des Öfteren verkatert ("Hung Over In A Church Pew"). Von denen, die ihn wegen seiner Gewohnheiten oder seines Äußeren verurteilen wollen, lässt er sich den Glauben jedenfalls nicht absprechen ("Nail Me").
Von Alkohol und Gott kann Jelly Roll also ein Lied singen. Aber auch der Liebskummer kommt auf "Whitsitt Chapel" nicht zu kurz. Seine Love-Songs verzehren sich vor Verlangen. Nicht mal der Himmel kann ihm da raus helfen: "You're The one thing heaven can’t save me from" ("Kill A Man"). Ein wenig platt wirkt der Vergleich zwischen einer Frau und einer Tequila-Flasche: "You've got curves just like this bottle in my hand, but I can't stop" ("Hold On Me"). Der Alkohol kommt mal wieder seinen anderen Interessen in die Quere.
Musikalisch bietet das Album mit Gitarren, Banjo, Mundharmonika und stampfenden Drums nicht viel Abwechslung, dafür jedoch reichlich "Yee-haw"-Stimmung."Whitsitt Chapel" klingt wie der perfekte Roadtrip durch die Südstaaten. Der Wechsel von Rap zu Country ist Jelly Roll ohne Zweifel gelungen.
6 Kommentare mit einer Antwort
Ganz schlimme, sterile Reißbrett-Radiogrütze. Wer guten Outlaw Country hören möchte, sollte lieber zu Arlo McKinley greifen.
Jelly geht voll klar/der neue song mit hollywood undead gefällt
Hab' seine älteren Sachen mit Lil' Whyte (über den bin ich überhaupt erst auf Jelly Roll gekommen) sehr gefeiert. Ich finde, er macht sich gut als Countrysänger und anders als einer der oberen Kommentare es beschreibt, finde ich ihn als sehr erfrischendes Gegenbeispiel zu den glattgebügelten „Artists“, die heute das Countrygenre bevölkern.
Lil' Wyte meine ich natürlich…
Das erste Lied ist nicht besonders gut, keine Ahnung, warum er das gewählt hat bzw. überhaupt auf's Album genommen hat. Da klingt er wirklich glattgebügelt, steht überhaupt nicht für das Album finde ich…
Sry, nicht das erste Lied, hatte aus Versehen Shuffle an :<
Werde berichten, wenn ich das Album in der „richtigen“ Reihenfolge gehört habe!
Das Album wächst bei mir echt nach mehrmaligem Hören mochmal!
„The Lost“ Hammertrack