laut.de-Kritik
Gute Cover-Compilation für Blues-Neulinge und Freaks.
Review von Philipp KauseFast 20 Jahre nach "Blues Deluxe" covert Joe Bonamassa wieder Songs aus verschiedenen Jahrzehnten. Wie schon bei der von ihm produzierten Kollegin und Freundin Joanne Shaw Taylor liegt der Fokus auf den Vocals, in die er sich gefühlsmäßig rein legt, als sei er plötzlich ein sensibler Geschichtenerzähler. Dass epische Gitarren-Soli natürlich immer bei ihm zum Programm gehören, stimmt zwar auch hier, spielt aber nicht die hauptsächliche Rolle.
Viel wesentlicher ist, wie er aus alten Vorlagen Neues baut. Bei "It's Hard But It's Fair" zum Beispiel transponiert er die Nummer anders, verändert einiges an der Tonfolge, legt mehr Drive in den Song, als das zarte Original hatte. Er verwandelt einen Psychedelic Rhythm-and-Blues in einen straight getrommelten Souler mit gleißend schriller E-Gitarre und lässt sich von einem Background-Chor umhüllen. Die Vorlage stammt aus dem Jahr 1968. Ein gewisser Bobby Parker nahm sie auf, mit einer um Lautstärke ringenden Stimme, ein bisschen Loser-mäßig performt. Bobby hat diesen Monat zehnten Todestag, und er war ursächlich für Lennons "I Feel Fine"-Riff bei den Beatles, meinte aber, er selbst habe jenes Riff aus dem Jazz geklaut.
Zur Umsetzung muss man einschränkend anmerken: Der Starkstrom-Performer erweckt mit seinen Gesangs-Interpretationen das angestaubte Fremdmaterial zwar wirklich zum Leben. Doch die Modulation seiner Stimme wirkt in etwa so malerisch, wie wenn ein Hund bellend sein Revier verteidigt. Andererseits hat das Genöle auch was Kultiges, im Blues darf man so shouten. Denn es geht um persönliche Krisenbewältigung. Aalglatte Gesänge wie bei Clapton sollten da gar nicht die Norm sein.
Eine persönliche Krise herrscht zum Beispiel bei "Win-O". Die Suff-Ballade mit majestätischem Bass und hellen Sechzehntel-Noten am Klavier datiert ins Jahr 1954 und verlautbart im krass sarkastischen, teils satirischen Text: "I drink to the bitter end." Größenwahnsinnig verkündet der Anti-Held des Liedes: "I'm a great politician - ooh - I'll make all the laws!" - Saxophon-Fanfaren malen ein bisschen Schönheit um die fratzenhaft hässliche Story eines Mannes, der die Kontrolle über sich verliert.
Noch mehr Sax mit voller Kraft ertönt in "I Want To Shout About It", einem Highlight von Bonamassas Sammlung. 1990 entstanden bei Ronnie Earl und seinen Broadcasters, handelt es sich um eine richtig coole, tolle Entdeckung, einen großartigen Song aus der Ära, als Bariton-Saxophone Pflicht waren. Ronnie war übrigens lediglich der Gitarrist des Originals, während der damalige Sänger Sugar Ray hieß (nicht die gleichnamige gleichnamige Band).
Auch den britischen Blue Notes huldigt der New Yorker Bonamassa und greift auf den wenig bekannten "Lazy Poker Blues" aus Peter Greens Vermächtnis zurück. Während Fleetwood Mac in ihrer Fassung auf "Mr. Wonderful" (1968) stompend, aufnahmetechnisch dumpf und in der Stimmung düster anmuten, coverten Status Quo seinerzeit das schnelle Stück sportlich, ein bisschen spooky und als wachen Hinhör-Track. Joe dreht das gleiche Lied kontrastreicher Weise in eine helle, etwas euphorische und ekstatische Nummer, und im zugehörigen Videoclip sieht man "me-e and my baby" beim Kneipenbesuch in guter Stimmung.
Break-Up- und heart-broken-Tracks gehören standardmäßig zu jeder Bluesrock-Scheibe. Da macht "Blues Deluxe Vol. 2" keine Ausnahme. Eine Woche Trennung fühle sich an wie sieben Jahre, jault der Sänger im souligen "Twenty-Four Hour Blues", einem anmutigen Edelstück. Solche Archiv-Perlen bekannt zu machen ist eine tolle Sache. Das Album gerät durch die Mischung unterschiedlicher Zeitströmungen, Geschwindigkeiten (bis zur majestätischen Rausschmeißer-Ballade "Is It Safe To Go Home"), verschiedener Arrangements und Themen (z.B. Geldnöten, Leben auf Pump in "You Sure Drive A Hard Bargain") kurzweilig. Und Bonamassas Akrobatik auf den Saiten lässt alles neu und glanzvoll erstrahlen. Besonders tief berührt, wenn am Ende in "Is It Safe To Go Home" die Lead Guitar zetert und regelrecht schreit.
Einen Tune, "Hope You Realize It", hat Joe sich selbst für das Album geschrieben: Ein schwungvolles Teil mit sweetem Griff in die Orgel am Ende. Zusammen mit dem, was der Meister aus den alten Repertoire-Songs geschnitzt hat, ergibt sich eine wirklich runde Sache und quasi eine unverzichtbare Compilation für Blues-Einsteiger*innen und Freaks.
Noch keine Kommentare