laut.de-Kritik
Ein respektvolles Nicken für das Lebenswerk ist drin.
Review von Stefan MertlikErst mit dem achten Studioalbum "Over The Hump" feierte die Kelly Family 1994 ihren Durchbruch. An das, was danach geschah, können sich wohl alle Jahrgänge ab 1990 abwärts noch gut erinnern. Die Kelly-Manie schlug um sich und brachte auch viele Gegnerinnen und Gegner hervor. Lieben oder hassen – etwas dazwischen gab es nicht.
Im Dezember 2019 feierte die Kelly Family das 25-jährige Jubiläum von "Over The Hump". Aus diesem Anlass spielten sie in der Berliner Mercedes-Benz-Arena das Album in voller Länge. Anschließend folgte ein 70-minütiges Programm, das sich zum Großteil aus Songs der Comeback-Platte "25 Years Later" von 2019 zusammensetzte. Die insgesamt 32 Stücke haben die Kellys nun auf die Doppel-CD "25 Years Later – Live" gebannt.
"We were so young, we were so strong / Together we went over the hump", erinnern sich die Kellys in der 2019 erschienenen Folkrock-Hymne "Over The Hump". Es gab Höhen und Tiefen, doch die Familie hielt zusammen. Die Verbindung zur Anhängerschaft blieb ebenfalls bestehen. Streuen die Kellys ungeachtet des Konzepts doch Hits wie "Nanana" oder "Fell In Love With An Alien" ein, grölen die rund 20.000 Kehlen mit. Spielen sie Akustiknummern wie "Cover The Road" schweigt die Meute artig und lässt die Stücke beinahe wie Studioaufnahmen klingen.
Eifrig wechseln sich die Kellys am Mikrofon ab. Dabei ergänzen sie sich perfekt. Patricia sorgt für das Divenhafte, Angelo für die Engelsstimme und Joey für den Rock'n'Roll. Dass die Familie musizieren kann, verleugnen nur noch hängengebliebene Hasser von früher. Im programmatischen "Drum Solo", im Gitarrenteil von "Nanana" und dem Instrumental "She's Crazy" rückt die Band trotzdem noch einmal ihre Fähigkeiten in den Fokus.
"Lasst uns das Leben feiern." Oft richten sich die Kellys nicht an ihr Publikum. In den vier Wänden der Hörerschaft kommt erst recht kein Mittendrin-Gefühl auf. Die 20.000 Menschen in der Arena werden immer wieder als "Berlin" bezeichnet. Obwohl die Platte im Frühling erschienen ist, sind auch die Weihnachtslieder "White Christmas" und "Oh Holy Night" enthalten. Über diese alberne Vollständigkeit freuen sich lediglich beinharte Fans.
Durch das Teilen in "Over The Hump" und ein nicht auf Protz ausgerichtetes Potpourri wirken die zwei Scheiben stimmig. Nichts auf "25 Years Later - Live" riecht nach billigem 'Greatest Hits'. Fanlieblinge wie "Calling Heaven" oder "Because It's Love" fehlen. Stattdessen erinnert die Gruppe mit einer Neuinterpretation von "Let My People Go" an die Anfänge als Straßenmusikanten. Zu einem späten Fan wird durch "25 Years Later – Live" niemand. Ein respektvolles Nicken für das Lebenswerk der Kellys ist aber definitiv drin.
1 Kommentar
Schöne Rezension, sehe das ähnlich. Die machen schon immer harmlose, aber ansprechende Popmusik. Und dass sie überhaupt mal Superstars werden konnten, verrät viel über die damals vorherrschende Mentalität. Ich bin nicht anfällig für Nostalgie, aber die Kellys zu hassen, ist ca. so, als würde man sich darüber aufregen, dass es früher immer zu viel Süßigkeiten bei der Oma gab.