laut.de-Kritik

Das Leben teilt linke Haken aus? Heul' nicht rum!

Review von

"Das Leben ist wie zwölf Runden", philosophiert der Ältere im trauten Zwiegespräch zwischen "Vater & Sohn". "Du brauchst nur genügend Ausdauer bis zum nächsten Gong. Oder du gehst k.o." Letzteres zieht ein Kämpfer wie Kontra K gar nicht erst in Erwägung. Nö: "Das machen wir nicht."

Wer sich nach einem solchen Intro und der (wieder einmal) heran gezogenen Boxmetapher nun auf einen wüsten Schlagabtausch freut, hat den Gong nicht gehört. Auch wenn es manchmal anders aussieht: Ganz ohne Köpfchen hat selten jemand einen Titelkampf gewonnen.

Kontra K zeigt von Beginn an, dass er seine Rübe nicht nur spazieren trägt, damit der Gegner weiß, wohin er seine Schläge ausrichten soll. Statt krampfhaft den harten Mann zu markieren, fürchtet er sich nicht davor, das Hirn zur Abwechslung einmal einzuschalten. Die Inhalte, über die sich zu rappen lohnt, kommen wie von alleine zu dem, der genau hinschaut. Wer über das Gesehene dann auch noch nachdenkt, ringt selbst vielfach beackerten Themenfeldern noch lohnende Ernte ab.

"Wenn du in der Scheiße steckst, ganz alleine kämpfst: Wie hart ist dann dein Rap?" Das Problem kennen wir ja. "Jeder will nur kämpfen, aber keiner benutzt seinen Kopf." Statt zur nächsten Schlacht zu blasen, ruft Kontra K seine Genregenossen lieber zu Zusammenhalt und Solidarität auf.

"Auch wenn ihr nicht daran glaubt: Ein paar von euch haben noch Perspektiven. Nicht unbedingt sehr viele, aber um was zu reißen, genügt es." Genau da verortet der Berliner seine Zielgruppe: bei denen, die sich auch dann noch weigern, auf die Bretter zu gehen, wenn Gott - oder das Leben - großzügig linke Haken austeilen.

Kontra K beleuchtet die zwischen Arm und Reich aufklaffende Schere: "Gönn Dir" zeugt dabei weniger von Sozialneid als von aufrichtigem Interesse an der Frage, wie zum Teufel man es auf die Sonnenseite des Lebens schaffen kann. Er seziert ungeschönt die Oberflächlichkeit einer maßlosen "Generation Crack", befasst sich mit der atemlosen Hetzjagd nach Geld und Ruhm.

Daneben legt er hemmungslos sein Innenleben offen, etwa wenn er seine Motivation hinterfragt ("Gedankenaustausch"), seinen Fans ("Für Die ...") oder seinem "Fels In Der Brandung", dem Vater nämlich, huldigt: sein "Daddy's Halo".

Schon einige vor ihm haben Schlaflosigkeit ("So Wach"), widerstreitende Stimmen im Kopf ("Therapie") oder persönliche Verluste thematisiert oder (wie "101%") den Soundtrack zur nächsten Trainingseinheit fabriziert. Kontra Ks kernige, schnörkellose Ehrlichkeit lässt die abgegriffenen Topics trotzdem frisch, auf alle Fälle aber speziell und berührend wirken.

Das Soundbild trägt zum gelungenen Gesamteindruck bei: Dieser Morton, Big Flexx und Peedy Beats loopen, pitchen und verzerren, bis aus simplen Samples Atmosphären mit ganz eigener Note keimen. Die Hibbeligkeit von "WIR" etwa passt prächtig zum Doubletime-Flow. "So Wach" greift die verzerrte Wahrnehmung, die einen bei Übermüdung fest im Griff hat, auch akustisch auf.

"Ich therapier' meine Freunde, mich selbst, meine Teufel, meinen Geist, der oft zu schwach ist", fasst Kontra K am Ende zusammen. Seine Ratschläge geraten unmissverständlich: "Willst du was, dann mach' was. Tuts dir nicht gut, dann lass' das", so die eingängige Formel aus "Mach Was", einer Kooperation mit Kumpel Bonez MC.

Zähne zusammenbeißen, ein- und wegstecken, weitermachen. Sich auch einmal mit weniger zufrieden geben. Nicht vergessen: ab und an Fünfe gerade sein lassen, das Handy ausschalten, in eine Traumwelt fliehen. "Folg' dem Hasen in den Bau." Vor allem aber: "Heul' nicht rum." Das Monopol auf die eine allein selig machende Wahrheit beansprucht er aber nicht: Den richtigen Weg für sich muss jeder schon selbst finden.

Die Erkenntnisse mögen allesamt nicht brandneu sein. Kontra Ks Technik: hochgradig solide, für den umwerfenden Aha-Effekt fehlt aber noch eine Spur. Ebenso vertrügen die durchaus interessanten Beats hier und da noch eine Portion mehr Wucht. "12 Runden" lässt in vieler Hinsicht Luft nach oben. Trotzdem: Kontra K weist, gut austrainiert, mit einer ordentlichen Vorstellung manch einen Mitbewerber um den Gürtel in die Schranken. Es ist wohl tatsächlich etwas dran: "Wenn das echte Leben redet, werden die Images zu Tropfen im Regen, verdampfen zu Nebel."

Trackliste

  1. 1. Vater & Sohn
  2. 2. Gedankenaustausch
  3. 3. WIR
  4. 4. Rücken Zur Wand
  5. 5. Fels In Der Brandung
  6. 6. So Wach
  7. 7. Gönn Dir
  8. 8. K.E.L.L.E.R.
  9. 9. 101%
  10. 10. Therapie
  11. 11. Generation Crack
  12. 12. Vergib Uns
  13. 13. Glaub Mir
  14. 14. Eigentlich
  15. 15. In Der Stille
  16. 16. Nebel
  17. 17. Mach Was
  18. 18. Für Die
  19. 19. Schlaf Gut
  20. 20. Bis Bald Und Auf Wiedersehen

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LAUT.DE-PORTRÄT Kontra K

"Der Hund ist des Mannes bester Freund." Heißt es ja so schön. Ein Hund ist vor allem eines: loyal. Gibts nicht mehr so oft, im frühen 21. Jahrhundert.

14 Kommentare mit 9 Antworten

  • Vor 11 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 11 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 11 Jahren

    Gnadenlos unterschätzter Künstler, gnadenlos unterbewertetes Album und eine Rezension, die dem unbedachten Seitenbesucher den Eindruck hinterlässt, von einem Erstlingswerk zu lesen... da wundert es auch nicht, dass zu den vorangegangenen Alben keine Rezensionen geschrieben wurden.

  • Vor 11 Jahren

    sehr gut dass endlich mal eine rezension zu einem der besten untergrund-rapper kommt. er macht ja jetzt schon lang genug musik.. allgemein textlich oberste liga, der macht einfach real talk. beattechnisch ein sehr gutes gespür und die stimme ist einmalig

  • Vor 11 Jahren

    Der Junge ist einfach nur sympathisch. Hoffe das da noch mehr kommt gepaart mit noch mehr Erfolg (Top 10 ist ja schon mal ein guter Anfang).
    Allerdings:
    Dieses Album hat mich diesmal nicht überzeugt.
    "Gedankenaustausch" ist mein Favorit. Das ist einfach nur ehrlich und aus der Seele. Authentisch zu 100%
    Wo ich schon bei Prozenten bin.
    Wenn ich sportlich wäre und öfter in die Mukkibudde gehen würde, dann wäre "101%" meine trainingsmukke.
    Ansonsten wars das schon.
    Schade!!!!
    Aber werde Kontra K weiter verfolgen.

  • Vor 11 Jahren

    Haette wegen der frueheren Bande zu Kaisa nicht gedacht, dass der so gut ist. Aber davon scheint er sich in jeder Hinsicht geloest zu haben, sehr gut. 'Generation Crack' ist wohl die akkurateste und bissigste Bestandsaufnahme der Berliner Feierjugend. Insgesamt finde ich den Vorgaenger aber noch ein Quentchen besser; 'Dobermann' hingegen hat schon ein paar schwaechere Momente.