laut.de-Kritik
Harmonie aus geseufzter Intimität und brachialen Gitarren.
Review von Matthias MantheDie junge Singer/Songwriter-Riege dieser Tage befindet sich in Aufbruchsstimmung. Was die Politik mantraartig an Wandel vom Volk einfordert, hat in den Köpfen von Folk-Speerspitzen wie Conor Oberst oder Firesides Kristofer Aström längst statt gefunden. Nur geht bei ihnen Wandel nicht einher mit "Gürtel enger schnallen!"-Parolen. In ihren aktuellen Werken erweitern die Künstler den ehemals voller Depressionen hängenden Horizont mit so manchem Lichtblick.
Sein deutlichstes Bekenntnis zum Farbton Grau gibt der Schwede Aström auf Album Nummer fünf, um das es hier gehen soll. "So Much For Staying Alive" heißt nun also der Nachfolger zum wenige Monate alten "Loupita". Letzteres nahm Aström noch komplett alleine auf, nun leistet die Begleitband Hidden Truck wieder ihren Beitrag zum Gelingen. Und das, so viel vorweg, funktioniert auch auf "So Much For Staying Alive" meist hervorragend. Zwölf wunderbar melodiöse Stücke wie eine chronologische Berg- und Talfahrt durch die Etappen einer Beziehung. Womit Aström zur Freude der Fans thematisch nichts Neues vorweist, schließlich prägt die ewige Suche nach der großen dauerhaften Liebe schon seine früheren Alben.
Klangtechnisch gönnt der Songwriter der Gitarre öfter als je zuvor ordentliche Stromstöße. Die Abrechnung "The Black Dog" transportiert mit jedem Akkord das Gefühl der Verbitterung. Aström kehrt in Textzeilen wie "You Can't Ever Change Me, You Can't Ever Kill Me, I Won't Ever Die For You" sein wütendes Inneres nach außen. Auf die Lippen beißen und den Trauerkloß schlucken, war früher. Nicht, dass der Ausbruch nicht schon abzusehen gewesen wäre: "The Burn" kündigt nur mit Stimme und dissonantem Klavierspiel das unheilvolle Gewitter an, und als sich die Wolken verziehen, bleibt nur das nackte Geständnis Aströms ("I Am Not The Man Of Steel").
Wenn er hier vor seiner Angebeteten auf Knien um Verzeihung fleht, zerreißen vor dem CD-Player Herzen. Geradezu fröhlich feiert er in der Neuauflage von "The Wild" (schon auf "Loupita" zu finden) das Leben als Entdeckungsreise - man möchte laut mitsingen und fremde Menschen umarmen. An anderer Stelle appelliert er an den Willen, der Berge versetzen kann. Die neue, positivere Facette steht dem Schweden schlicht hervorragend.
Zu Beginn der zweiten Hälfte hat Aström zwei schwächelnde Stücke versteckt: "Until Tomorrow" besitzt beinahe Schlagercharakter, während die folgende Blues-Nummer - in Frankfurt geschrieben - thematisiert, wie Kristofer vor dem Telefon sitzt und mit sich ringt, die Ex nicht anzurufen. Sei's drum: Die stampfende Kakophonie "Gilded" sprüht güldene Funken vor Euphorie und das perkussive Finale erinnert stark an die Polka gewordene Intensität eines Tom Waits (bzw. der nordischen Nachbarn Kaizers Orchestra).
Insgesamt scheint Aström am Ende einigermaßen im Reinen mit sich zu sein. Dunkle Dramatik, Verzweiflung und hoffnungsvolle Selbstreflexion halten sich auf der Platte die Waage. Der Verlust der alten Liebe schmerzt zwar noch, aber auch für den Melancholiker par excellence ("Empty Hands") geht das Träumen letztlich weiter: "Maybe Tomorrow I Won't Walk These Streets Alone."
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